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Literatur und Soziologie

Literatur und Soziologie. Themen : 1) Literatur in der Soziologie, Soziologie in der Literatur. Text: Kuzmics/Mozetic, 9-34; Lepenies, 357-375

rashida
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Literatur und Soziologie

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  1. Literatur und Soziologie Themen : 1) Literatur in der Soziologie, Soziologie in der Literatur. Text: Kuzmics/Mozetic, 9-34; Lepenies, 357-375 2) Klassische literatursoziologische Ansätze und Interpretation von Literatur Text: Kuzmics/Mozetic, 34-57; Link/Link-Heer, 216-217; Bourdieu, 75-115 3) Der soziale Hintergrund von Literatur Text: Williams 254-270; Kuzmics 31-48 4) Soziologische Methoden zwischen empiristischem Szientismus und textualistischer Herausforderung Text: Kuzmics/Mozetic 58-100; Geertz, 7-43 5) Literaturfreundliche Soziologien: Goffman, Elias Text: Kuzmics/Mozetic 101-121; 297-303; Goffman, 24-42

  2. Themen 2 6) Strukturalismus in der Literaturwissenschaft Text: Eagleton, 91-126; De Saussure, 76-93; 147-159 7) Poststrukturalismus und Dekonstruktionismus Text: Eagleton, 127-150; Derrida, 9-48 8) Beispiele zur soziologischen Interpretation von Literatur 1 Text: Elias 1976, 26-36; Scheff/Retzinger 103-122; Elias 1989, 125-151 9) Beispiele zur soziologischen Interpretation von Literatur 2 Text: Kuzmics/Mozetic 122-141; Hardy, 119-135 10) Beispiele zur soziologischen Interpretation von Literatur 3: Text: Kuzmics/Mozetic 259-287

  3. Literatur in der Soziologie, Soziologie in der Literatur 1 • Das Nebeneinander von Roman und Soziologie im 19.Jahrhundert: „Deutungskonkurrenz“ hinsichtlich einer Lebenslehre der beginnenden Industriegesellschaft • Vergleich Stendhal, Flaubert, Balzac mit Comte, dem Begründer der Soziologie: Empirische Fülle der Beobachtung gegen dürre begriffliche Abstraktion • Zola versteht sich selbst als „Soziologe“: „Notizbücher“ als Ethnographie Frankreichs, Flaubert auf Landwirtschaftsausstellung • Sinn und Grenzen des literarischen „Naturalismus“ in Faktendarstellung und theoretischer Interpretation • Kritik des Naturalismus: wissenschaftlich zu grobschlächtig, schriftstellerisch zu schematisch

  4. Literatur in der Soziologie, Soziologie in der Literatur 2 • Wissenschaft kann langweilig sein, Roman muß interessant sein (Guyau 1987): was folgt für den Wahrheitsanspruch? • Wissenschaftlicher Geist als Voraussetzung auch für literarische Beschreibung: Zwischen Beobachtung und „Phantasie“ • Broch: „Zwitterstellung des Romans“ zwischen Wirklichkeit und Kunst • Musil: Dichtung ist das Herrschaftsgebiet des Nicht-Ratioiden; was sich nicht mit Exaktheit vorausberechnen läßt • „Ästhetische“ Darstellungsprinzipien vs. reine Abbildung von Wirklichkeit

  5. Lepenies‘ „Die drei Kulturen“ • Drei Länder: Frankreich, England, Deutschland • Spannung zwische „Szientismus“ und „Gefühl“ bzw. „Ästhetik“ • E, F: Sozialwissenschaften nach dem Modell der Naturwissenschaften, Literatur als Gegenüber • D: Soziologie zwischen Geschichtswissenschaft und englischer Ökonomie; Literatur als „dritte Kultur“ • Lebensorientierung vs. Gestaltungs- und Anwendungswissen

  6. Literatur in der Soziologie, Soziologie in der Literatur 3 • Comtes Soziologie: Neue, positivwissenschaftliche Disziplin, die sich auf Beobachtung statt Phantasie gründet bzw. auf Gesetzmäßigkeiten des Sozialen wie in der Natur • Historismus als Gegenprogramm: Vielfalt der Erscheinungen, keine Gesetze • Lewis Coser: „We need to read Marx and Balzac, Max Weber and Proust. The understanding of one will be illuminated by the understanding of the other.“

  7. Mögliche Beziehungen zwischen Literatur und Soziologie in deskriptiver Hinsicht

  8. Mögliche Beziehungen zwischen Literatur und Soziologie in nicht-deskriptiver Hinsicht (Unterhaltung, Spannung, Rührung, Anklage, etc.)

  9. Literatur in der Soziologie • Literatur als Illustration (Veranschaulichung der Soziologie); Bsp. Goffman, Coser, Dabaghian • Literatur als Quelle; Bsp. Gerschenkron zur SU, Löwenthal, Rockwell, Deegan, Bramsted • Literatur als Soziologie: als „Protosoziologie“ oder „Soziologie auch heute noch“; Bsp. Nisbet, Rockwell (Eliot, Jane Austen etc.), Lepenies (Th. Mann etc.)

  10. Lepenies zu T. Mann und M. Weber • „Buddenbrooks“ als Vorwegnahme der Protestantischen Ethik von Max Weber und des Bürgers bei Sombart: asketischer Leistungsethiker als Heros der Moderne • Der moderne Berufsmensch bei Weber: sparsam, fleißig, mäßig, demütig; Wahlverwandtschaft zur calvinistischen Ethik mit ihrer Gnadenwahlllehre; der Kaufmann in „Buddenbrooks“ • Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ (1917) als Traktat gegen westliche Zivilisation, seinen Bruder Heinrich, gegen Zola und für deutsche gemütshafte Kultur und Kunst: zugleich auch antisoziologischer Affekt bei Mann • Romain Rollands deutscher Held als Figur Mannscher Identifikation (Kritik an Frankreichs Dritter Republik) • Seelisch-Menschliches vs. Soziologisch-Politisches • „der in Musik gesetzte Weber“ als Metapher für das Gefühl • Parallelen in der Gefühlsstruktur von Weber und Mann: heroischer Kulturpessimismus • Mann später: Hinwendung zur Soziologie (Adorno, Weber); letzterer auch wegen seines literarischen Stils • Webers „Judentum“ als Quelle für Manns „Joseph“

  11. Fragen: • Was bedeutet die Idee, Soziologie wie Literatur könnten eine „Lebenslehre der beginnenden Industriegesellschaft“ darstellen? Welche anderen praktischen Funktionen kann die Sozialwissenschaft noch haben und wie würde sich das auf Verwendung von Literatur auswirken? • Was könnte Musil meinen, wenn er von“Dichtung als dem Herrschaftsgebiet des Nicht-Ratioiden“ spricht? • Was gehört zum „Szientismus“ der Soziologie? • Ist es gleichgültig, welche Art von Soziologieverständnis man hat, wenn es um soziologische Fruchtbarkeit von Literatur geht? • Was bedeutet „Literatur als Protosoziologie“? • Was sind für Lepenies die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen Max Weber und Thomas Mann?

  12. Literatursoziologische Ansätze 1 • 2 empiristische Analysen: Griswold (1981): wie kann man Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Romanen erklären? (130 Werke;1876-1910): Antwort: nicht durch andere Inhalte und Mentalitäten, sondern auf Grund des neuen Copy-Rights (1891), das amerikanische Romane schützt; Deegan 1981: Stereotyp der alleinstehenden Frau im US-Roman; Ergebnis: die meisten sind in untergeordneter Position; Schluß: Romane nehmen soziale Entwicklungen vorweg

  13. Marxistische Literatursoziologie • 2 gesellschaftstheoretische Analysen: Georg Lukacs‘ und Arnold Hausers marxistische Interpretation: Literatur als Überbau, der Licht auf Unterbau wirft (Lukacs 1961: Schriften zur Literatursoziologie; Realismus, nicht Naturalismus: Shakespeare, Goethe, Balzac, Tolstoi: Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft. Kritik: naiv und parteilich. Lukacs 1963: Die Eigenart des Äesthetischen: Signalsystem 1‘ – dichterische Sprache drückt das Unaussprechliche aus. Hauser 1988: Soziologie der Kunst: Kunst als Quelle der Erkenntnis; Wunsch- und Idealbild des Lebens; Kritik durch Zima 1995: literarische Texte kann man nicht in begriffliche Aussagen mit denotativem Charakter übersetzen

  14. Bourdieus Kunstsoziologie • Jeder Schaffende steht in einem intellektuellen Kräftefeld • Metapher des Feldes: Kraftlinien, kommunikativer Akt (Werk) erfolgt in eigenem „Feld“, definiert durch bestimmte Positionseigenschaften von Künstlern, Adressaten, Publikum, Mäzenen, Kritikern, Verlegern etc.

  15. Emanzipationsprozeß von Intellektuellen • Mittelalter: Ritterhöfe • Renaissance, Höfische Gesellschaft: Abhängigkeit von Aristokratie; Mäzene und Gönner; Lösung der Abhhängigkeit zuerst durch Theaterautoren (Publikum) • Klassisches Zeitalter: Emanzipation der Bürger („Intelligentsia“); nun auch Emanzipation der Romanautoren: Verlagshäuser, Theater, kulturelle und wissenschaftliche Vereine; Verleger löst den „Patron“ ab

  16. 19. Jahrhundert • Romantik; Emanzipation des künstlerischen Wollens: l‘art pour l‘art • Publikum als „anonyme Masse“ ersetzt kleinen, bekannten Kreis von Lesern • = MARKT FÜR KUNST UND LITERATUR mit großer Konkurrenzdynamik • Idealer Leser = alter ego • Entstehung institutionalisierter Kritik

  17. Neue Probleme der Künstler • Autonomisierung des literarischen Feldes • Autor hängt immer mehr vom Publikum ab • Konflikt zwischen künstlerischer, immanenter Notwendigkeit und äußeren sozialen (=ökonomischen) Zwängen wird typisch • Genies werden sich ihrer Ausnahmestellung bewußt und kommentieren sie (Marx, Flaubert): Neuer Raum der Kreativität • Innovation: Bsp. Robbe-Grillet („Letztes Jahr in Marienbad“): Wandel vom Neo-Realisten zum Phantastisch-Imaginären; Definition der Bedeutung des Künstlers erfolgt immer mehr im autonomen kulturellen Feld: Propheten, Priester, Zauberer • Rolle der Kritiker wird immer wichtiger • Auswahl des Verlegers wird immer wichtiger

  18. Künstlerische Öffentlichkeit • Hierarchisch gegliederte kulturelle Legitimität: Theater (oben)……..Fernsehen (unten) • Sanktionierte Produkte • Sakramentaler Zugang • Legitimation statt sachlicher Vermittlung und Verbreitung: „höhere Weihe“ des Kunstbetriebs

  19. Schema der Legitimität

  20. Künstlerische Autorität • Autorität durch Persönlichkeit: Prophet • Autorität durch Institution: Priester • Autorität durch Magie/Charisma: Zauberer • Dialektik zwischen diesen Polen: Ordnung vs. Kreativität und Innovation

  21. Fragen • Versuchen Sie am Beispiel der Analyse von Schillers Glocke (Link/Link-Heer) Stärken und Schwächen marxistischer Literaturinterpretation sichtbar zu machen! Inwieweit ist diese Interpretation realistisch, inwieweit trägt sie ästhetischen Eigenheiten des Genres Rechnung? • Überlegen Sie, inwieweit sich die literarischen Felder Österreichs und der USA unterscheiden mögen, je nach ihren wichtigsten Bestandteilen? • Warum sind – nach Bourdieu – die moderne Romanschriftsteller unter ständigem Innovationszwang? Und wer entscheidet über ihren Erfolg? • Warum unterscheiden sich – nach Bourdieu – die Zeitpunkte und das Ausmaß von bürgerlichen Emanzipationbemühungen in den Gattungen von Lyrik, Drama und Roman?

  22. Sozialer Hintergrund der Literatur (Williams) • Was sind die Auswirkungen des sozialen Herkunftsstatus der Autoren auf ihre Literatur? • Wie beeinflußt ihre Bildung die Literatur? • Wie beeinflußt die Art, wie sich Literaten das Einkommen verdienen, ihre Literatur? • Welche Wirkungen haben ihre Erwartungen über das Publikum auf ihre Literatur?

  23. Williams‘ Analyserahmen • N = 350 Autoren, geb. von 1470 – 1920 • Soziale Herkunft: • Adel • Gentry • Freie Berufe • Kaufleute • Händler • Bauern • Handwerker • Arbeiter

  24. Williams‘ Analyserahmen II Bildung: • National Grammar (=Public School) • Local Grammar (Staatschule) • Dissenting Academy (religiöse Schule) • Privat (Hauslehrer) • Unis: Oxford, Cambridge, andere

  25. Williams‘ Analyserahmen III • Einkünfte = „ways of living“ • Unabhängig (Besitz) • Beschäftigt (außerhalb der Literatur) • Beruflich (auf dem Feld, auf dem Schriftsteller bekannt ist)

  26. a) 1480-1530: Tudor-Literatur • Literaten dieser Zeit sind fast ausnahmslos Adelige (18 von 21) • Fast alle (17 von 21) kommen von den Universitäten Oxford und Cambridge • Inhalt der Literatur: großteils Theologie, Pädagogik • 10 von 21: Beruf in Kirche oder Universität

  27. b) 1530- 1580: Elisabethanische Literatur • Weniger aristokratisch: 15 von 36: Adel und Gentry-Herkunft gg. 9: Freie Berufe und 12: Kaufleute, Händler, Handwerker • Bildung: 27 von 36: Oxbridge • Einkünfte: 7 unabh., 11 beschäftigt als Angehörige des Hofes, der Kirche, von Rechtsberufen, Universitäten, Privatlehrer; Rest: 18: Professionelle Schriftsteller (z.B. Shakespeare)

  28. 1630-1680: Restaurationsperiode • Adel, Gentry: 9 von 21 • Freiberufliche Familien: 7 • Handel und Handwerk: 5 • Oxbridge: 13 von 21 • Lebensunterhalt: einige Dramatiker an Thatern, 8 abhängig Beschäftigte, 4 unabh. (Professionalisierung)

  29. Daniel Defoe • Nach einem Stich in seinen "Gesammelten Werken" Daniel Foe (oder Defoe, wie er sich seit etwa 1703 nannte) wurde als Sohn eines Fleischers 1661 (oder 1660) zu London im Kirchspiel von St. Giles geboren. Sein Vater gehörte nicht der Hochkirche an, und auch der Sohn war eifriger Protestant (Nonkonformist). Da er schon früh gute Anlagen verriet, sollte er zum nonkonformistischen Geistlichen erzogen werden; allein er erkannte bald selbst, daß er zum Theologen nicht geeignet sei, und gab den Plan, zu studieren, umso mehr auf, als ihm seine religiöse Überzeugung Schwierigkeiten bereitete. Wegen Teilnahme an dem Aufstand des Herzogs von Monmouth gegen König Jakob II.war er für Jahre ins Ausland geflohen; nach seiner Rückkehr hatte er einen kaufmännischen Beruf ergriffen, hatte aber bald Bankrott gemacht und war bis über die Ohren in Schulden geraten. Derselbe Mann jedoch, der sich selbst nicht zu raten wusste, hatte gleichzeitig vortreffliche Projekte ausgearbeitet, die sich auf Errichtung oder Verbesserung nationaler Kreditanstalten, Banken und Sparkassen bezogen, hatte kluge Reformen des Versicherungs-, Schul-, Gerichts- und Gesundheitswesens befürwortet. Als man ihn nun wegen ironischer Verhöhnung kirchlicher Unduldsamkeit an den Pranger stellte, jubelte ihm das Volk zu, und kaum aus dem Gefängnis entlassen, gab er von 1704 ab eine einmal wöchentlich erscheinende Zeitschrift, "Die Rundschau" (Review), heraus.

  30. 1780-1830: Viktorianische Periode • Herkunft: - 25 von 57: Freie Berufe - 9 von 57: Adel und Gentry - 9 von 57: Kaufleute - 13 von 57: Händler, Handwerker, Bauern: höhere soziale Mobilität • Bildung: 24 von 57: Oxbridge, 9 andere Unis

  31. 1780-1830: Viktorianische Periode II • Lebensunterhalt: Wandel: viele berufliche Schriftsteller, abh. von Markt; nur 9 von 57: unabh.; wenige Beruf außerhalb von literarischerArbeit

  32. 1880-1930: Literatur des 20.Jh. (1.Hälfte) • Herkunft: - 39 von 53: Oberschicht und Obere Mittelschicht (Gentry, Adel, Professionen) - 13 von 53: Unterschicht: Händler, Arbeiter, Bauern, Handwerker • Bildung: • 32 von 53: Public School • 32 von 53: Oxbridge

  33. Williams‘ Schlußfolgerungen • Wachstum einer nationalen Literatur ist nicht autonom, ohne Einfluß aus Gesellschaft und deren Institutionen • Es verändert sich Art und Struktur des Publikums • Die soziale Herkunft, Bildung und Art des Laebensunterhalts der Autoren hat einen Einfluß auf ihr Werk

  34. Veränderung in der sozialen Rekrutierung englischer Literaten

  35. Veränderungen im Publikum

  36. Defoes Moll Flanders • Individualisierung: 3 Aspekte (abgel. von Elias: verschiedener, autonomer, abgetrennter • Ökonomisierung: homo oeconomicus als Variante des „homo clausus“ • Bürgerliche utilitaristische Mittelklassenmoral • Rationalisierung als Haltung der Berechnung im Alltag und auch bei nicht-ökonomischen Angelegenheiten (Liebe und Ehe; Zynismus der Midwife) • Defoes sozialer Standort als Mittelklassenautor zwischen Gentry und Kommerz

  37. Fragen • Was sind die Auswirkungen des sozialen Herkunftsstatus der Autoren auf ihre Literatur? Versuchen Sie eine Interpretation am Beispiel von Defoes „Moll Flanders“ • Wie beeinflußt ihre Bildung die Literatur? Diskutieren Sie das an einem Roman Ihrer Wahl! • Wie beeinflußt die Art, wie sich Literaten das Einkommen verdienen, ihre Literatur? Diskutieren Sie das an einem Roman Ihrer Wahl! • Welche Wirkungen haben ihre Erwartungen über das Publikum auf ihre Literatur? Versuchen Sie eine Interpretation am Beispiel von Defoes „Moll Flanders“!

  38. Soziologie zwischen empiristischen Szientismus und textualistischer Herausforderung • Methodologischer Naturalismus (Modell der Naturwissenschaften verbindlich auch für Sozialwissenschaften) • „Verstehender“, hermeneutischer Zugang: Orientierung am „Sinn“ von Handeln und Symbolen

  39. Merkmale des methodologischen Naturalismus • Quantitative Variablen • Experimentelle Beobachtungen • Kausalaussagen über Zusammenhänge • Rückführung auf Gesetze • Methodologischer Holismus (z.B. Systemtheorie) und Individualismus (z.B. Rational-Choice-Theorie) beide mit „Naturalismus“ verträglich • Folge für soziologische Interpretation von Literatur: Geht nicht!

  40. Lasletts szientistische Kritik an soziologischer Literaturverwendung • Following Laslett, we need • to find a positive answer to these questions: • Since novels have also nondescriptive functions (to entertain, to accuse, etc.), do they not distort reality by putting emphasis on these interests? • Could the author not have invented what he describes? • Can literary evidence be confirmed by further, perhaps nonfictional evidence? • Could the author have been in a position to know the social phenomena from first-hand experience? • Fiction normally contains only vague, if any, statements of frequency (of events, • properties, etc.) Are the proportions roughly accurate reflections of reality? • A sociology of literary expression is needed which deals with the problem: What kind of audience was addressed by what kind of message?

  41. Verstehende Soziologien • Verstehende Psychologien (mentale Zustände, Emotionen, lebensweltliche Verstrickungen) • Webers „verstehende Soziologie“ : subjektiver Sinn als zentrale Kategorie des Handelns • Schütz‘ Methode zur Erforschung der alltäglichen Lebenswelt: Handlung als Entwurf, Selbst- und Fremdverstehen, Motiv und subjektiver Sínn • Ethnomethodologie (Garfinkel): Alltagswissen und „Hervorbringung“ der sozialen Welt; Dokumentarische Interpretation; Konversationsanalyse (Sacks, Schegloff); Cicourel (Social Organization of Juvenile Justice 1968) • Chicago-Schule: Teilnehmende Beobachtung, Feldforschung, Ethnographie: Robert E. Park, W.I. Thomas; Nähe zum Roman

  42. Textualistische Herausforderung • Strukturalistische Strömungen, die Szientismus neu definieren wollen (De Saussure, Jakobson, Lévy-Strauss) • Postmoderne „Dekonstruktion“ (sprachliches Relativitätsprinzip: Sprachform entspricht Lebensform (Wíttgenstein, Winch als Bezugsfiguren, Derrida, Hayden White, Clifford Geertz; R.H. Brown in Soziologie) – „Gesellschaft als Text“ - Brown

  43. Clifford Geertz: Dichte Beschreibung • Kultur als Gewebe von Bedeutungen: semiotischer Kulturbegriff • Deutung statt Gesetzen • Ryles Begriff der dichten Beschreibung am Beispiel des Zuckens, Zwinkerns, Parodie des Zwinkerns, Üben der Parodie etc. – Rekonstruktion aller Bedeutungsschichten • Anwendung auf ethnographisches Beispiel (Raub und Schadenersatz in Marokko) • Deutung der Eingeborenen – Deutung von außen • Analogie zum Roman: Mme Bovarys Wissen - unseres

  44. Kriterien der Gültigkeit einer ethnographischen Beschreibung nach Geerttz • Sie ist deutend • Was sie deutet, ist Ablauf eines sozialen Diskurses • Das Gesagte wird dem vergänglichen Augenblick entrissen und zum Typus erhoben • Sie ist mikroskopisch • Sie ist theoretisch (setzt Beschreibungen mit existierendem Wissen in Beziehung) • Theorie ist Vokabular von relevanten Begriffen • Beschreibung ist nie abgeschlossen: zwischen Subjektivismus und Kabbalismus

  45. Fragen: • Wenden Sie Peter Lasletts Kanon auf Defoes „Moll Flanders“ an. Was müßten wir idealerweise, was praktisch wissen, um unsere Interpretation als gültig erscheinen zu lassen? • Wo tauchen bei „Moll Flanders“ „Bedeutungen“ auf, die nach dem Verständnis etwa der Ethnomethodologie problematisiert werden müßten? • Wie sieht die „Heiratskultur“ in Defoes „Moll Flanders“ aus, und wie könnte man sich ihr mit Geertz nähern? • Wie kann man sich auch Makro-Gebilden (Staat, Markt) verstehend nähern?

  46. Literaturfreundliche Soziologien (Elias, Goffman, Scheff) • Nicht jede Soziologie eignet sich für die soziologische Verwendung von Literatur • Theorie: reicht von • Begrifflicher Analyse • Systematische Zudammenstellung von Ergebnissen • Festlegung von „Variablen“ • Deduktiv-nomologische Erklärungsmodelle

  47. Was sind „Daten“? • Beiläufige Impressionen • Alltagsbeobachtungen • Vertextungen • Narrative Konstrukte • Quantitative Daten nach operationalen Definitionen

  48. Ebenen soziologischer Analyse • Makro: Staat, Markt, Arbeitsteilung, soziale Probleme auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (z.B. Migration): Literatur keine gute Quelle • Institutionen, Organisationen (z.B. Arbeitsamt, Schule, Polizei): Literatur schon eher geeignet • Mikro: Face-to-face Kommunikation, Erfahrung und Erleben des einzelnen in Gruppen: Literatur hier legitime Quellen der Beobachtung

  49. Soziologien, die literaturfreundlich sind, müssen Beobachtungen über einzelne Menschen im Focus haben • Interpretative Soziologien: Phänomenologie, Ethnomethodologie, Interaktionismus: Goffman als Autor, der selbst viele literarische Beispiele verwendet (Preedy-Beispiel) • Systemtheorie nur dann, wenn semantische Dimension (z.B. Luhmann: Liebe als „Code“) explizit für Beweisführung angesprochen wird • Zivilisationstheorie als Verbindung von Makro- und Mikro-Perspektive: Staatsbildung und Entwicklung eines zivilisierteren Affekthaushalts

  50. Goffmans „Dramaturgisches Modell“ • Mensch als Schauspieler auf „Bühne“ (Vorder- und Hinterbühne) • Erzeugt Ausdrücke, die beim anderen als „Publikum“ ankommen sollen (zum Zwecke von: verwirren, beleidigen, schmeicheln, verkaufen etc.) • Er ist Teil eines kooperativen „Ensembles“ • Im Publikum sitzen „Claqueure“ und „Spione“ • Er/sie arbeitet an einer „Fassade“, die Teil des „Bühnenbilds“ ist • Manöver können kooperativ sein („Takt“) oder verletzend („Punkte sammeln“)

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