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Es ist eine gute Heuristik, sich zu fragen, wie wir selbst den menschlichen Organis- mus entworfen hätten, wenn wir in der Rolle seines Konstrukteurs gestanden hätten. Allerdings nicht eines göttlichen Weltbaumeisters,. Überlegungen zur Architektur der Motivation.
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Es ist eine gute Heuristik, sich zu fragen, wie wir selbst den menschlichen Organis-mus entworfen hätten, wenn wir in der Rolle seines Konstrukteurs gestanden hätten.Allerdings nicht eines göttlichen Weltbaumeisters, Überlegungen zur Architektur der Motivation Einführungsvortrag zum21. Motivationspsychologischen Kolloquium14.09.2001 in Zürich ©Norbert Bischof
einfacheWirbeltiere Evolution um die komplexeren Leistun-gen dann als historische Ku-mulation von Neuerwerbenverstehen zu können. Die Zeit erlaubt nicht, dasdetailliert auszuführen, aber um dem unseligen Dualismus„der Mensch“„das Tier“zu entgehen, Mensch Ganz soweit zurückwollen wir nicht gehen,aber bis zu den einfa-chen Wirbeltieren müs-sen wir schon loten, sondern der natürlichen Selektion, die,bevor sie beim Menschen ankam,bei der Amöbe beginnen mußte.
einfacheWirbeltiere einfacheWirbeltiere Mensch Menschen-affen wollen wir wenigstenseine Zwischenstufegesondert würdigen. Alles Vorherige,vom Frosch bis zum Pavian,müssen wir nolens volensunter der Sammelbezeichnung„einfache Wirbeltiere“ einebnen. Auf dieser Entwicklungsstufeläßt sich das typischeVerhaltensmuster etwawie folgt charakterisieren:
Heute sagt man statt „Appetenz“ Bewältigungsverhalten oder neudeutsch Coping. Appetenz Coping An der Verhaltenssequenzlassen sich oft zwei Etappen unterscheiden, Endsituation Endhandlung Problem-situation das Verhalten wandelt eine Problemsituationin eine Endsituation um. die erste, vorbereitende Phase ist variabel,während die zweite, die die Endsituationherbeiführt, relativ stereotyp abläuft. In der älteren Ethologie wurden die beiden Phasen als Appetenz und Endhandlung unterschieden.
ZNS Situ- ation Angenommen nun,wir hätten einen Organismus zu konstruieren,der sich auf die beschriebene Weise verhält;welchen strukturellen Minimalbedingungen müsste dieser genügen? makroskopisch mikro- Ver- halten Diese Pauschalbegriffe müssen wir nun differenzieren. Wenn wir Verhalten sagen,denken wir zunächst anmakroskopische Bewegungen (z.B. Saugen oder Fliegen). Orga- nismus sko- pisch Diese Begleitvorgänge müssen, um ihre Funktion zu erfüllen, mindestens zum Teil ebenfalls hochgradig antriebsspezifischsein. (Gegenteilige Behauptungenbelegen nur die Oberflächlichkeitder Untersuchungsmethoden). Dieses sorgt dafür, daß gewisse situative Konfigura-tionen durch Verhaltensmuster beantwortet werden. Zunächst haben wir innerhalb desOrganismus ein informationsverarbeitendesSystem zu fordern. Diese könnten ihre Aufgabe aber nichterfüllen, wenn sie nicht durch vegetativeProzesse auf mikroskopischer Ebeneunterstützt würden (z.B. Blutzuckerregulationoder Adrenalinausschüttung).Die letzteren sind in der Regel gemeint,wenn Psychologen von „physiologischen“Prozessen sprechen. Soviel zum Verhalten. Noch viel komplexer ist das Konstrukt Situation.
Orga- nismus Situ- ation Hierzu müssen wir etwas weiter ausholen.
Die dazu erforderliche Energie mußder Organismus selbst bereitstellen.Daher ist FREUDs Forderung nach einem „Reizschutz“ unsinnig,der den Organismus gegen die „zerstörerische Intensität“ der Stimulation abschirmen müsse. Stimulation beeinflusst nicht die Struktur des Organismus,sondern sein Verhalten. • Der Begriff Alimentation ist weiter gefaßtals der Name erkennen läßt. Er umfaßt • 1. nicht nur förderliche Umwelteinflüsse sondern auch Schädigungen • - Unterernährung, Deprivation, Vergiftung- Blindheit bei vorgeburtlicher Röteln-Infektion,- verkümmerte Extremitäten durch Contergan, • 2. nicht nur intrauterine Einwirkungen, sondern alles, was während des ganzen Lebens die Struktur des Organismus zum Guten oder Schlechten verändert. • - ein Beinbruch,- eine Kneipp-Kur- oder eine Gehaltserhöhung. • Um strukturelle Wirkungen hervorrufen zu können, muß Alimentation dem Organismusdirekt oder indirekt Material oder Energiezuführen, entziehen oder vorenthalten. ORGANISMUS Diese nennen wir Stimulation. Nun gibt es aber auch Umweltwirkungen, dieweder zur stofflichen noch zur energetischenBilanz des Organismus nennenswert beitragen. - Lichtquanten, die die Netzhaut treffen - Duftmoleküle, die die Chemorezeptoren erreichen. Stimulation Verhalten Die Gesamtheit solcher Situationswirkungenbezeichnen wir als Alimentation Alimentation Eine dritte Klasse von Umweltwirkungenist die Selektion. Situ- ation Damit daraus einemakroskopische Strukturwerden kann, Selektion Beispiele: - die Schwerkraft polarisiert das Cytoplasma der befruchteten Eizelle,- chemischer Austausch mit dem Nachbargewebe steuert die Morphogenese,- hinzukommen Ernährung, Atmung und so fort. Sie beeinflußt die Fortpflanzungsratedes Organismus,und damit letztlich die Verteilungvon Erbanlagen in der Population. GENOM muß die Situation natürlich Baustoffeund Energie liefern. Nun besteht das Genom aber nur aus ein paar DNA-Molekülen. Der Bauplan des Organismus ist in seinem Genom niedergelegt.
Wieso sieht das Schaubild eine Überlappung von Stimulation und Alimentation vor? Reize wurden dochgerade als zu energiearm definiert, um von sich aus alimentative Effekte hervorbringen zu können! ORGANISMUS Man darf aber nicht vergessen, daß derOrganismus der Stimulation gestattet, viaRelais-Wirkung in seinen eigenen Stoff-und Energietransport lenkend einzugreifen.Das kann dann durchaus auch strukturelleFolgen haben. Wir bezeichnen dieses Phänomen alsalimentative Stimulation. Beispiele: 1. Psychostreß kann somatische Effekte wieVerspannung und Erkrankung hervorrufen. 2. Die sichere Einbindung des Kindesin eine empathische Familienatmosphäreist auch eine Stütze für leibliches Gedeihen. Ausschließlich alimentativ wirkenUmwelteinflüsse, wenn sie nicht aufeine genetische Differenzierung treffen. Ein Umweltgift, an dem alle Mitgliedereiner Population gleichermaßen erkranken,erzeugt keinen Selektionsdruck! Stimulation Verhalten Alimentation Situ- ation Selektion, Alimentation und Stimulationformen einen vermaschten Regelkreismit einer ziemlich komplexen Dynamik,auf die ich nur kursorisch eingehen kann. Selektion Unproblematisch erscheintdie Überschneidung vonAlimentation und Selektion:Was gut fürs Überleben ist,nützt meist auch derFortpflanzung. Hier interessiert eher, daß dieÜberlappung nicht total ist. GENOM Effekte, die nicht die Gesundheit,sondern nur Sexualität oderBrutpflege beeinflussen, sind rein selektiv.
Verhalten wird also immer durchUngleichgewicht im Gesamtsystemausgelöst.Ungleichgewicht erzeugt Druck das kann Selektionsdruck sein,- dann verändert sich der Gen-Pool oder Alimentationsdruck- wenn der Organismus z.B. reift, - abmagert - oder nach einer Krankheit gesundet, oder Stimulationsdruck, - wenn die Wahrnehmungswelt danach verlangt, durch Verhalten verändert zu werden. Die drei Dynamiken haben unterschiedliche Zeitskalen,wobei die jeweils trägere die flexibleren nach sich zieht. Am trägsten ist die Selektion.Insofern kann man sagen, die Optimierung der Fitness sei Zweck oder Funktion alles motivierten Verhaltens Das heißt nun aber nicht, daß sie auch sein Ziel ist.Von einem Ziel sprechen wir erst,wenn seine Erreichung rückgemeldet wird. ORGANISMUS Stimulation Verhalten Ziel Ziele sind also immer Stimuli. Alimentation Für die Rückmeldung aberist die Stimulation zuständig. Situ- ation Ein gebräuchlicheres Wort für Stimulationsdruckist Motivation. Das Feedback erfolgtauf der Verhaltens-Ebene,weil diese den kürzestenZeitraster aufweist. Selektion Nur wenn diese ihrerseits mit alimentativenund letztlich selektiven Effekten korrelieren,stabilisiert sich das Gesamtsystem. DasKunststück der Evolution besteht also darin,Stimuli zu finden und zu verwerten, die einesolche Korrelation aufweisen. GENOM
Ziel ORGANISMUS Am einfachsten, aber auch unzuverlässigstensind hier propriozeptive Rückmeldungen derEndhandlung. Das klassische Beispiel ist die Sexualität.Hier ist schon der Begattungsakt das Ziel.Die Befruchtung selbst wird nicht rückgemeldet. Stimulation Verhalten Alimentation Situ- ation Selektion GENOM
ORGANISMUS Stimulation Verhalten Selbstverständlich wäre es effizienter,wenn das Verhalten direkt in selektiveoder wenigstens alimentative Prozesseeingreifen könnte. Alimentation Situ- ation Selektion Eine solche Einbindung der Endsituation in denVerhaltensregelkreis ist bei manchen Motiven(z.B. Bindung) leicht zu bewerkstelligen. Beianderen erfordert sie aber einen differenziertenkognitiven Apparat und bleibt dann höherenphylogenetischen Stadien vorbehalten. GENOM
Situ- ation Das alles sindWortmarken,über die man streiten kann.Worauf es ankommt,ist die dargestellteStruktur. Ver- halten Orga- nismus Nun zurück zum Motivmodell.Wir wollen dafür ein Inventarfunktionell zu fordernder Baugliederzusammenstellen.Als Anschauungsgrundlage wählenwir zunächst den Nahrungstrieb. Bedürf- nis Aus dem Vergleich vonIst- und Sollwert resultiertdann die Regelabweichung.hier bietet sich der BegriffBedürfnis an. Der Ausdruck Alimentation läßtsich hier wörtlich verstehen. Aus der Differenzbeider errechnet sich der Bestand. Ali- ment. Den Sollwert des Bestandesnennen wir Bedarf. Bestand Be- darf Die zugeführten Nährstoffe werdenallerdings wieder verbraucht. Schwund
Valenz Det Das Verknüpfungssymbol ist in dieser Präsentation nicht exakt definiert. Es bedeutet irgend-eine mathematische Operation,deren Sinn aus dem Zusammenhangzu erschließen ist. In diesem Fallwäre ein Operator halbwegszwischen + und angemessen. Situ- ation Zumindest bei einfacherenOrganismen müssen wir,entsprechend den Schemataauf der Reizseite, auch alsKernbestand der Endhandlungein Bewegungsradikal fordern,das durch eine Erbkoordinationsichergestellt wird. Eine zweite Klasse von Stimuli meldet, ob das valenzhaltige Objekt hinreichend zugänglich ist. Das zuständige Detektorsystem wird in der Ethologieals Auslösemechanismus bezeichnet. Erbkoord. Akzess Ausl Ver- halten Nun zum stimulativen Aspekt der Situation.er wird durch Detektoren vermittelt,die auf bestimmte Reizschemata ansprechen.wir können sie LEWIN zu Ehren Valenzen nennen. Wenn der Auslösemechanismusanspricht, kann die antriebs-spezifische Endhandung ablaufen,z.B. - Zubeißen, - Wegfliegen, - Balzen usw. An- trieb End- hand- lung Anreiz Orga- nismus Bedürf- nis In der Motivationspsychologie werdendiese beiden Stimulusdimensionenunter dem Sammelbegriff "Anreiz“zusammengeworfen,was nicht zur Klarheit beiträgt,abgesehen davon, daß der Ausdruckauch noch eine dritte Bedeutung hat,auf die wir später zu sprechen kommen. Valenz und Bedürfnismüssen zusammenwirken,damit ein Antriebzustandekommt. Ali- ment. Rück- satz Bestand Be- darf Soweit die Erbkoordination selbst zielbildend ist,bewirkt sie direkt einen Bedürfnisrücksatz. Schwund
Ausl Det Erbkoord. Akzess An- trieb End- hand- lung Orga- nismus Bedürf- nis Valenz Das ist der "kleine Regelkreis";bekanntlich macht schon das Kauen satt. Ali- ment. Rück- satz Bestand Be- darf Schwund
Ausl Det der „große Regelkreis“läuft über die Alimentation,bei ihm wird der Bestand,also die gespeicherten Nähr-stoffe, selbst gemessen. Erbkoord. Akzess An- trieb End- hand- lung Orga- nismus Bedürf- nis Valenz Ali- ment. Rück- satz Bestand Be- darf Schwund
Diese Feedbacks bezeichnet man als konsummatorisch,wobei daran zu erinnern ist, daß sich das Wort mitzwei M schreibt; es kommt von summus (=Gipfel) undbedeutet „auf den Höhepunkt, zur Vollendung bringen“. consummatum est es ist vollbracht (Bei den letzten Worten Christi war ja wohl nicht an Konsum gedacht.)
Ausl Det Bisher wurde der Modellrahmenan der Hungermotivation veranschaulicht;er deckt aber auch die übrigen Motivarten ab.Allenfalls muß man ihn da und dort reduzieren. Erbkoord. Akzess An- trieb Sexu- alität End- hand- lung Orga- nismus Bedürf- nis Valenz Det Damit wird es auch sinnlos, von einem "Bestand" zu reden, Bei der Sexualität entfallenz.B. die alimentativen Effekte. Ali- ment. Rück- satz Wobei man statt "Schwund“besser positiv "Stau beiNichtausübung" sagt. Bestand Be- darf und das Bedürfnis regelt sichallein im Wechselspielvon Schwund und Rücksatz. Schwund
Ausl Det Das Explorationsmotiv hat keine spezielle Erbkoordination.Hier geht es einfach darum, stochastisch zu manipulieren. Erbkoord. Akzess An- trieb Neu- gier End- hand- lung Orga- nismus „Alimentation“ bedeutet hier Information, Aktualisierung des Weltbezuges,Up-to-Date-Bleiben im Fluß der Ereignisse. Wir haben es mit einem Fall vonalimentativer Stimulation zu tun: Erfahrung muß gespeichert werden,und Speicherung ist ein struktureller Eingriff,dem Brennen einer CD vergleichbar. Bedürf- nis Valenz Det Daher entfällt der Rücksatz;die Konsummation erfolgtauf dem großen Regelkreis,also über die Alimentation. Ali- ment. Rück- satz Wer also im Explorationsverhaltenein Gegenprinzip zur Homöostaseam Werke sieht,hat überhaupt nicht begriffen,was Homöostase bedeutet. Bestand Information ist wie Nahrung.Auch sie unterliegt einem Schwund:das zunächst Neue überholt sich,und muß ständig nachgespeist werden. Be- darf Schwund
Ausl Det Schließlich sei noch die Bindungsmotivation betrachtet. Erbkoord. Akzess An- trieb End- hand- lung Bin- dung Orga- nismus Bedürf- nis Valenz Det Auch hier spielt derRücksatz keine Rolle Ali- ment. Rück- satz weshalb die Alimentation, die von den Eltern gespendeteSicherheit, direkt mit dem alterstypischen Bedarf (im ZürcherModell als Abhängigkeit bezeichnet) verglichen wird. Bestand Be- darf Schwund Es gibt aber auch keinen Schwund,
Erbkoord. Akzess Det An- trieb End- hand- lung Nun müssen wir die Verhaltensregulation etwas genauer analysieren. Orga- nismus Bedürf- nis Valenz Det Hierzu genügt, wenn wir den oberen Teil des Systems betrachten. Zu- fuhr Rück- satz Bestand Be- darf Schwund
Erbkoord. Akzess Det An- trieb End- hand- lung Erbkoord. End- hand- lung Akzess An- trieb Ein typischer Ablauf läßt sich etwa folgendermaßen nachzeichnen:
Dann muß die Freigabe durch den Aus-lösemechanismus abgewartet werden;sie richtet sich nach der Zugänglichkeitdes Objekts. Der Akzess wird vom Auslösemechanismus skaliert Akzess An- trieb Zunächst baut sich ein Antrieb auf
Bei Erreichen einer gewissen Schwellegibt der Auslösemechanismusdie Endhandlung frei.
und beendet oft auch den Akzess,so etwa beim erfolgreichen Beutefang. Erb- koord. End- handlung Die Endhandlung löscht den Antriebauf dem großen oder kleinen Weg.
Betrachten wir das Schema nun nochmals,aber unter der Bedingung,daß eine Barriere (im Sinne LEWINs)den Akzess behindert. Barriere
bis auf ein Rudiment,das die Ethologen alsIntentionsbewegung bezeichnen.Statt wirklich zuzubeißen fletscht man dann nur die Zähne. aber der Auslösemechanismus blockiert sie; Intentions- bewegung wenn der Antrieb stark genugist, wird er die Erbkoordinationzwar aktivieren;
Coping Wie soll es nun aber weitergehen?Hier kommt die Verhaltenssequenz ins Spiel,die wir vorhin als Coping bezeichnet haben. Endsituation Endhandlung Problem-situation
Coping-Apparat Was soll dieser Apparataber tun?Eine Erbkoordinationhat er ja nicht. Wir haben unser Schema alsoum ein entsprechendes Bauelement zu erweitern. Intentions- bewegung
Er braucht einen Zufallsgenerator,der blindlings alle verfügbarenBewegungsmuster durchprobiert. Dazu ein Gedächtnis, Und wenn einer davonzufällig den Akzess verbessert, wo alle probierten Lösungs-schritte protokolliert werden. Intentions- bewegung
dann wird der beschritteneLösungsweg an die Problem-situation assoziiert und beim nächsten Mal gleichals erstes eingesetzt. + Intentions- bewegung
Coping-Apparat unspezif. Wahrnehmung Diese Arbeitsweise istim Prinzip unspezifisch. Im Unterschied zur Vielzahl derAntriebe ist der Coping-Apparatein Allround-Werkzeug, das in denDienst beliebiger Motive treten muß. Um das zu können, benötigt er einenerweiterten Wahrnehmungsapparat. Das Coping-System aber soll konditionierbar sein, und dafür muß es sich möglichst vielen weiteren Umweltaspekten öffnen, die die angeborenen Detektoren gar nicht als relevant erkennen. Die Detektoren der Antriebe sprechenauf spezifische Schemata an –lerntheoretisch ausgedrückt,auf unbedingte Reize. spezifische Wahrnehmung
Allerdings bedeutet „unspezifisch“ nicht dasselbewie „wahllos“. Unter all den verfügbarenBewegungsradikalen sind einige besser als anderezur Problemlösung geeignet.Für ihren Einsatz ist der Coping-Apparat daher,wie SELIGMAN sich ausdrückt, schon „vorbereitet“. Invention Aggression Supplikat. Man kann zweitens natürlich auchversuchen, die Barriere gewaltsamzu beseitigen. Darüber hat Tamara DEMBO gear-beitet, und die Frustrationstheoriehat Coping dann überhaupt plumpmit Aggression identifiziert. Dazu gehören einmalLokomotion und Manipulation.Sie sind a priori geeignet, einenUmweg um die Barriere zu erschließen. Wir wollen dieses Strategiepaketdaher als inventiv bezeichnen. Ihre Spannweite reicht vom erratischen Bewegungssturm der Fliege an der Fensterscheibe oder derMenschen in Panik bis zum Einsatz produktiven Denkens, das ja im Grunde auch eine Umwegsuche ist. Eine dritte Strategie hat DEMBO auchschon beobachtet: Man bittet jemandenanderen, daß er das Problem löst. DasVerfahren kann man supplikativ nennen. Prototypisch hierfür ist das Weinen der Tier- und Menschenkinder.
Invention Aggression Supplikat. Allen drei Strategien istgemeinsam, daß sie indie äußere Situation ein-greifen. PIAGET hat dafürden Begriff „Assimilation“eingeführt. Assimilation
Invention Aggression Revision Supplikat. Dann mag es sich lohnen, die eigene Kognition einer Revision zu unterziehen:sich die Augen zu reiben, einen Schritt zurückzutreten, die Perspektive zu wechseln. Der Gegenbegriff ist„Akkomodation“: Manverändert sich selbst. Es gibt tatsächlich auchzwei akkomodativeCoping-Strategien. Auf die eine hat METZGER aufmerksamgemacht: Wenn die Situation als gestörterlebt wird, dann kann das daran liegen,daß man sie nicht richtig wahrnimmt. Dabei kann man sich freilich auch in die eigene Taschelügen, nach dem Prinzip der „sauren Trauben“.DEMBO sprach vom „Ausweichen auf die Irrealitätsebene“. Assimilation Akkomodation
Invention Aggression Revision Supplikat. Akklimat. Während Revision eine gewisse Differenzierungdes kognitiven Apparates voraussetzt, findet sicheine zweite Variante von akkomodativem Copingschon auf einfachstem Entwicklungsniveau:die Ethologen sprechen von Akklimatisation. Assimilation Akkomodation Sie beseitigt die Spannungeines behinderten Antriebs,indem sie ihn, wie FREUD sagt,verdrängt.
und einem moderneren, der „kognitiv“ heißt undhinter dem sich eben der Coping-Apparat verbirgt. Der Coping-Apparat erfordert nununsere besondere Aufmerksamkeit,denn an ihm setzt alle phylogene-tische Weiterentwicklung an. working model Ich-Apparat Bewußtsein „kognitiverSchaltkreis“ einem archaischen und entsprechend primitiven, der fürdie sogenannte „affektive“ Reizverarbeitung zuständig ist, Im Nachgang zur ZAJONC-LAZARUS-Debatte ist es auch Mode,von zwei getrennten, parallel arbeitenden Schaltkreisen zu reden, und manche Neuropsychologen meinen eigentlichihn, wenn sie „Bewußtsein“ sagen. Er hat in der Theorienlandschaft viele Namen:bei FREUD wird er „Ich-Apparat“ genannt bei BOWLBY das „Innere Arbeitsmodell“ „affektiverSchaltkreis“
Solche Zerlegungen sind problematisch, denn sie pressenfunktionell heterogene Systeme in ein Schema der Parallelität,das über den Sinn des Ganzen nicht mehr zu sagen erlaubt,als daß die beiden eben „eng miteinander vernetzt sind“. „kognitiverSchaltkreis“ „affektiverSchaltkreis“
Wir haben gesagt, daß der Coping-Apparatunspezifisch arbeitet. Das bedeutet aber nicht,daß es nicht dennoch wissen müßte,in wessen Dienst er gerade treten soll. „kognitiverSchaltkreis“ Die Idee ist nun, daßgenau dies die Aufgabeder Emotionen ist. ? Interessant ist immerhin, daß man denunteren Systemteil "affektiv" genannt hat.Das bringt uns nämlich auf eine lohnende Spur. Die Antriebe müssen also, wennsie nicht weiter wissen, mit ihmkommunizieren können, undwie machen sie das eigentlich? „affektiverSchaltkreis“
Bekanntlich gibt es Emotionsdefinitionen wie Sand am Meer.Hier ist ein häufig zitiertes Resumé: KLEINGINNA &KLEINGINNA A categorized list of emotion definitions, with suggestions for aconsensual definition. (Motivation and Emotion5,345-355, 1981) Emotion a complex set of interactions among subjective and objective factors, mediated by neural/humoral systems, affective affective feelings such as feelings Diese Präambel können wir gleich wieder vergessen;denn sie gilt für praktisch jedes psychologische Konzept. Emotion is a complex set of interactions among subjective and objective factors, mediated by neural/humoral systems, Hier wird allen Ernstes„Emotion“ durch „Affekt“ definiert, which Hier ist es genauso; denn alles Psychischehat eine „nervöse/endokrinologische“ Grundlage. • give rise to affective experiences und jetzt auch noch durch „Gefühle“. such as feelings of arousal, pleasure/displeasure; „such as“ entzieht sich der Verbindlichkeit, indemes Definition durch Veranschaulichung ersetzt. Bleiben also schließlich nur arousal und pleasure als verwertbar übrig.
KLEINGINNA &KLEINGINNA A categorized list of emotion definitions, with suggestions for aconsensual definition. (Motivation and Emotion5,345-355, 1981) Emotion a complex set of interactions among subjective and objective factors, Emotion is mediated by neural/humoral systems, which affective • give rise to affective experiences such as feelings such as feelings of arousal, pleasure/displeasure; emotionally relevant such as emotionally relevant perceptual effects, • Als Ausbeute bleiben schließlich nur die Begriffe appraisal und labeling,die man angesichts ihrer Unschärfe getrost als synonym betrachten kann. generate cognitive processes und hier wird jetzt „Emotion“gleich durch sich selbst definiert, such as emotionally relevantperceptual effects, appraisals, labeling processes; Dann werden kognitive Effekte genannt(auch wieder nach Schema „such as“), • activate widespread physiological adjustmentsto the arousing conditions; Als nächstes erfahren wir, daß Emotionen etwas mit „Physiologie“ zu tun haben,
Situ- ation makroskopisch mikro- Ver- halten Orga- nismus sko- pisch damit sind die peripheren Prozesse gemeint,die praktisch alles Verhalten begleiten.
KLEINGINNA &KLEINGINNA A categorized list of emotion definitions, with suggestions for aconsensual definition. (Motivation and Emotion5,345-355, 1981) Emotion is Emotion a complex set of interactions among subjective and objective factors, mediated by neural/humoral systems, which • affective give rise to affective experiences such as feelings such as feelings of arousal, pleasure/displeasure; • generate cognitive processes such as emotionally relevant such as emotionally relevantperceptual effects, appraisals, labeling processes; perceptual effects, activate widespread physiological adjustmentsto the arousing conditions; • activate widespread physiological adjustmentsto the arousing conditions; often, but not always, and adaptive schließlich noch eine Formulierung, die durch„often, but not always“ prophylaktisch Harakiri begeht. also ist auch diese Passage im Grunde wertlos;aber lassen wir „physiologisch“ immerhin stehen,im Sinne einer besonderen Akzentuierung. • lead to behavior that is often, but not always,expressive, goal-directed, and adaptive. Und adaptiv ist sowieso alle Verhaltensorganisation, weil sie sonst nicht vor der Selektion bestehen könnte.
KLEINGINNA &KLEINGINNA A categorized list of emotion definitions, with suggestions for aconsensual definition. (Motivation and Emotion5,345-355, 1981) Emotions So sieht also der Ertrag aus: • give rise to experiences of arousal and pleasure/displeasure; • focus on microscopic („physiological“) rather than macroscopic („behavioral“) adjustments; • tend to be expressive; • generate appraisals; • tend to be goal-directed. mindestens das letzte Kriterium trifft natürlich auch auf Motivation zu,weshalb spätestens hier die Frage zu stellen ist,wie Motivation und Emotion eigentlich zusamnmenhängen.
LERSCH Emotion Anmutungs-qualität Antriebs-gestalt „endothyme“ Färbung Loten wir einen Moment in die Geschichte zurück.MCDOUGALL hatte für Motivation „Instinkt“ gesagtund diesen durch drei Komponenten definiert. Nun ist es interessant, daß seinerzeit LERSCH,(den heute natürlich niemand mehr zitiert,)eine Phänomenologie der Gefühlserlebnisse vorgelegt hat,die eine auffallende Parallele zu MCDOUGALLs Dreiteilung hat. Das Bild ähnelt dem von mir verwendeten Schema, allerdingsbestand dort für das mittlere Kernstück "Emotion" kein Anlaß. emotionale Qualität „Instinkt“ AkzentuierungderWahrnehmung Verhaltens- muster McDOUGALL
bewusst erlebt LERSCH Anmutungs-qualität Antriebs-gestalt „endothyme“ Färbung Das sieht so aus, als würden die Emotionendie Thematik der Antriebe erlebbar machen. emotionale Qualität AkzentuierungderWahrnehmung Verhaltens- muster McDOUGALL
Angenommen, ich überquere eine Straße,sehe ein Auto nahenund beschleunige daher meine Schritte. Zehntausend Meter über mir schwebt ein UFO,in dem kleine grüne Verhaltensforscheraus einer fernen Galaxisdie Species Homo sapiens terrestris beobachten. Gewissenhaft notieren siemein plötzlich anwachsendes Tempound verbuchen es als Fluchtverhalten.Autos, das wissen sie, sind schließlich Raubtiere,die gelegentlich auf Menschen Jagd machen. Ich möchte an dieser Stelle eine Parabel anführen,die Konrad LORENZ zu diesem Thema beizusteuern hatte.
Objektiv stimmt das natürlich alles.Aber Angst habe ich bei meiner „Flucht“kaum verspürt. Ich habe die Situationvielleicht nicht einmal bewußt registriert. Das wäre nun aber ganz anders gekommen,wenn mir beispielsweise der Absatzin der Trambahnschine hängengeblieben wäre. Dann hätte mich wirklich siedende Angst überfallen.Ich hätte mir panisch den Schuh vom Fuß gerissenund wäre schweißnaß und strumpfsockig davongehüpft.Abends hätte ich dann was zu erzählen gehabt.
Motiviertes Verhalten kann also durchaus ohne affektive Begleitmusikablaufen. Wenn man das generalisiert, ließe sich die These aufstellen,daß Affekte bzw. Emotionen erst dann aufteten, wenn Anlaß besteht,die Dienste des Coping-Apparats in Anspruch zu nehmen. Das wird nun dem Coping-Apparatauf emotionalem Wege mitgeteilt. Emotion Nehmen wir an, ein Antrieb sei aktiviert. Nehmen wir an, ein Antrieb sei aktiviert und die zugehörige Antriebshandlung blockiert.
Die Stimmungskomponente informiert über die anstehende Antriebsthematik. Anmutung Intention Stimmung Hin! Die mikroskopischen Begleitprozesse wer-den meist nicht mit blockiert. Jetzt sind sieaber funktionslos und fallen daher auf. Dasist das ganze Geheimnis der „widespreadpysiological adjustments“, die durch dieEmotion angeblich „aktiviert“ werden. Daher läßt sie sich auch alsAusdruck der Emotion deuten. Emotion Ausdrucks- bewegung Intentions- bewegung Das „Eigenrauschen“ der an-triebsspezifischen Detektorenverleiht der Wahrnehmungs-welt das Anmutungsprofil, aufdas dann z.B. projektive Test-verfahren (TAT) ansprechen. Die blockierte Erbkoordination spannt dasWelterleben in eine intentionale Dynamik ein.
Weg! Bei einem anderen Antrieb würde Entsprechendesgeschehen, nur eben in anderer Stimmungsqualität, und anderer Intentionalität. Mit anderem Anmutungscharakter