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Formenlehre

Formenlehre. Liedformen: Frédéric Chopin Prélude op. 28 Nr. 7. Ermitteln verschiedener Analysekriterien. Hans Peter Reutter www.satzlehre.de. tänzerischer ¾-Takt, Melodie in Terzen und Sexten, walzerartige Begleitung, relative Betonung des 2. Viertels in den ungeraden Takten,

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Presentation Transcript


  1. Formenlehre Liedformen: Frédéric Chopin Prélude op. 28 Nr. 7 Ermitteln verschiedener Analysekriterien Hans Peter Reutter www.satzlehre.de

  2. tänzerischer ¾-Takt, Melodie in Terzen und Sexten, walzerartige Begleitung, relative Betonung des 2. Viertels in den ungeraden Takten, meist 5stg., T. 3: 4stg., T. 11f: 7-9stg.

  3. Harmonische Analyse (ohne melodische Nebennoten) D7 T D79 T harmonisches Metrum: 2 T. 2 T. 2 T. 2 T. (D7) D7 T Sp8 - 7 D79 T 2 T. 1 T. 1 T. 2 + 1 V. 1 T. 2 T.

  4. Interpunktion (Satzbau) übertriebene Dynamik:

  5. motivische Analyse Teil- oder Halbsatz Motiv freie Umkehrung vollkommener Ganzschluss unvollkommener Ganzschluss Phrase Intervalle und satztechnische Details sind in jedem Zweitakter anders!

  6. zusammenfassende Schichtenanalyse („Schenker light“)

  7. Ermitteln von Analysekriterien am Beispiel des kleinsten Stückes • Welche Fragen stellen wir an ein musikalisches Werk? • Welche „Parameter“ können isoliert betrachtet werden? • Wie fügt man sie zu einem Gesamtbild?

  8. Wenn wir keine gute Anfangsidee haben (z.B. eine Lieblingsstelle, deren Bedeutung uns intuitiv klar ist), können wir uns helfen, in mehreren Durchgängen unter verschiedenen Gesichtspunkten durch das Stück zu gehen. 1. Durchgang: Satztechnische Faktur • Melodie (z.T. in Terzen und Sexten) + Begleitung (tiefer Bass und nachschlagende Viertel, insges. l.H. 3-4stg., r.H. ergänzt Akkorde zur 5stgkt., nur T.10f zur 7-9stgkt.), ¾-Takt, walzer- bzw. mazurkenartig 2. Durchgang: Harmonisch • Harmonien sind hier am Bass gut ablesbar, der immer grundtönig ist. Vorerst können wir die harmoniefremden Töne der Melodie außer Acht lassen. In Funktionen: D7 T D79 T D7 T (D7) Sp D79 T d.h. die harmonische Analyse verrät uns hier sehr wenig – zunächst einfachste Pendelharmonik, am Schluss eine von der Zwischen-D eingeleitete Quintfallsequenz, die in die abschließende Kadenz führt. Interessant ist allerdings das harmonische Metrum: bis zu T.10 erklingt jede Funktion 2 Takte lang, T.11-15 verdoppelt das harmonische Metrum zu taktweisen Wechseln. 3. Durchgang: Interpunktisch, formal • Nach der harmonischen Analyse können wir eine Untergliederung in Sätze oder Perioden versuchen (bei größeren Stücken: in längere Formabschnitte). Da sich kein echtes Frage-Antwortspiel der Motive ergibt und auch die Harmonik keinen größeren Einschnitt bei T.8/9 nahelegt, können wir nicht von einer Periode oder zwei getrennten Sätzen zu 8 Takten sprechen. Wir empfinden bei der Hälfte eine leichte Unterteilung, die in etwa einem Komma entsprechen würde. Den Einschnitt in T.8 III bezeichnen wir als unvollkommenen Ganzschluss (T mit 3 in Oberstimme).

  9. 4. Durchgang: Motivisch, syntaktisch • Dieser Durchgang ist vielleicht der wichtigste, hier mit ganz einfachem Ergebnis: Es handelt sich jeweils um dasselbe Motiv in 8 verschiedenen Varianten. Wir können diese als a – a’ – a’’ etc. bezeichnen. Da sich T.9f, T11f und T.15f auf vorherige Versionen beziehen, sprechen wir hier am besten von a(2) und a2’ und a2’’’. Die melodische und stimmführliche Analyse können wir etwa als Teil dieses Durchgangs durchführen, aber da wir hier zu den differenziertesten Ergebnissen gelangen werden, trenne ich diesen Durchgang ab. 5. Durchgang: Melodie und Stimmführung Offensichtlich wichtig, und doch fehlen uns hier die eindeutigen Begriffe. Wie bezeichnet man eine Melodie? Wie fasst man die Stimmführung der Mittel- und Unterstimmen in ein System? Heinrich Schenker (1868-1935) hat ein System entwickelt, das die Stimmführung in Notendiagrammen darstellt. Es kann ein Vordergrunddiagramm geben, das mehr oder minder alle Fortschreitungen darstellt (oft bis auf Wechselnoten, Verzierungen und Wiederholungen quasi identisch mit dem Notentext ohne spezifischen Rhythmus). Wichtiger ist die Darstellung des Mittelgrundes, in dem die wichtigsten Züge herausgearbeitet sind, d.h. die groben Stimmverläufe in auf- oder absteigenden Linien (oder Kurven). Im Hintergrund steht der sogenannte Ursatz, der laut Schenker für quasi alle tonale Musik der Klassik und Romantik die gleichen Merkmale aufweist: einen abwärtsgerichteten Zug der Oberstimme mit abschließender Tenorklausel, einen aufwärtsgerichteten Zug der (oder einer) Unterstimme mit abschließender Diskantklausel, die am Schluss bevorzugt durch Bassklausel unterlegt ist. Eine knappe Einführung in die Schenkersche Sichtweise bietet der Artikel von Larry J. Salomon „The Schenkerian Primer“, leider nur auf englisch. Ein deutscher Artikel erwähnt Grundzüge der Theorie in Zusammenhang mit neueren Strukturmodellen. • Online unter http://solomonsmusic.net/schenker.htm, Zeichenerklärung unter http://solomonsmusic.net/schensym.htm • http://groups.uni-paderborn.de/ibfm/images/musikhoer-reader/Golo.html

  10. Klar ist: die spannenden Dinge passieren im Mittelgrund, der Ursatz ist nicht mehr als die stimmführliche Darstellung der sich öffenden und schließenden Kadenz. Vorteile dieser Analysemethode sind die übergreifende Darstellung von Bezügen und die Akzentuierung des melodisch-kontrapunktischen. Nachteile sind das Übergehen rhythmisch-metrischer Dinge und die etwas unbefriedigende Folge, dass alle Stücke am Ende gleich aussehen. Arnold Schönberg äußerte entsetzt über eine Schenker-Analyse der Eroica von Beethoven, dass da alle seine Lieblingsstellen fehlen würden. Gerade das Ornament kann doch manchmal das Wesentliche sein – aber wie ausdrücken? Ich werde es hier einmal versuchen: Hauptmerkmal der Melodie scheinen die harmoniefremden Noten zu sein, deren Lage und Intensität in Bezug auf den Grundton von Motivvariante zu –Variante jeweils wechselt. Außerdem wechselt die intervallische Gestalt des Motives jedes Mal. Das immer wiederkehrende Intervall der Sexte (als Intervall in der Abfolge oder des Melodierahmens) wird mal so, mal so eingesetzt oder durch andere Intervalle ersetzt. • a: 623 • a’: (5)324 - Hier entsteht schon die Symmetrie um das cis’’ herum: 6 darüber und darunter • a’’: (6)323 • a’’’: (5-)23 • a2: 623 • a2’: (5)326 • a’’’’: (8)23 • a2’’’: (7-)28 Die wichtige Beobachtung hierbei ist, dass keine Variante von a dieselbe Intervallfolge hat!

  11. 6. Durchgang: „Spekulatives“ • Ein besseres Wort fällt mir für diese Beobachtungen vorerst nicht ein, obwohl Spekulatives bei der musikalischen Analyse zunächst nichts Esoterisches oder Anrüchiges an sich hat. Sofern wir uns nicht in Zahlenspielchen oder inhaltlichen oder hermeneutischen (außermusikalischen) Deutungsversuchen ergehen, ist das ein notwendiger und gültiger Bestandteil einer Analyse. Die beiden wichtigsten Punkte hier scheinen mir: a) Symmetriedenken in der Melodie. Zunächst ist alles symmetrisch um das cis’’ angeordnet (man beachte das Fehlen des fis’ und des gis’’!), nur der Höhepunkt schießt eine Terz über das Ziel hinaus, der Spitzenton ist damit aber wieder ein cis, was seine zentrale Stellung unterstreicht. b) Spieltechnisches: Die Pedalisierung ist relativ diffizil, auf dem modernen Flügel drohen die zahlreichen harmoniefremden Töne die Klänge verschwimmen zu lassen. Die Gestaltung der Vorhalte und Durchgänge ist somit durch Halbpedal, schnelle Wechsel o.ä. markiert. Der 9stg. Akkord T.12 lässt sich nur mit Tricks (flacher Daumen auf ais’ und cis’’) zusammen anschlagen. Wenn man außerdem weiß, dass Chopin relativ kleine Hände hatte, kann man daraus schließen, dass dieser Akkord eher arpeggiert gespielt werden soll. Dies führt automatisch zu einer Agogik, die diese Stelle zusätzlich zum Harmonischen und Melodischen herausstellt. Zusammenfassung der Ergebnisse: • Alle analysierten „Parameter“ zeigen eine ähnliche Spannungskurve in zwei Bögen an, die man gerne auch grafisch wiedergeben kann. Im Prinzip: je mehr „Markierungen“ eine Stelle hat (durch Harmonik, durch Chromatik, durch Dissonanzen, durch Höhe, durch satztechnische Faktur wie Stimmenanzahl, durch Agogik), umso höher ist die Spannungskurve anzusetzen.

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