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Die Demokratiebewegungen für DD in Zürich (1860-1867) und der US-Westküste (1890-1914) Jenaer Vorlesung zur „Geschichte, Theorie und Praxis der Direkten Demokratie (DD) im internationalen Vergleich“ / III. von Andreas Gross (Zürich) Politikwissenschafter/Lehrbeauftragter
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Die Demokratiebewegungen für DD in Zürich (1860-1867) und der US-Westküste (1890-1914)Jenaer Vorlesung zur „Geschichte, Theorie und Praxis der Direkten Demokratie (DD) im internationalen Vergleich“ / III von Andreas Gross (Zürich) Politikwissenschafter/Lehrbeauftragter Leiter ADD/National- und Europarat Jena, den 12. Dezember 2007 www.andigross.ch info@andigross.ch
Die DD war erst in der CH und später in den USA ein Werk von oppositionellen Volksbewegungen„Alles durch das Volk, mit dem Volk und für das Volk“ • Der Schweiz gelang 1848 der Aufbau eine der ersten repräsentativen Demokratien mit oblig Verf’ref • Die Schöpfer der modernen Schweiz waren tendenziell liberal und elitär • Viele aus dem Volk fühlten sich durch sie schlecht verteten • Deshalb verlangten sie nach “dem letzten Wort” in wesentlichen Fragen • Überall dort, wo BügerInnen die DD erkämpften, sind die Verfahren bürgerfreundlich ausgestaltet
Die Parallelen zwischen der Zürcher Demokratiebewegung (1860-1870) und den US-Populist- (1890-1900) und US-Progressive Movements sind frappierend ! Die gleichen Bevölkerungsgruppen kämpften aus den gleichen Gründen und auf Grund ganz ähnlicher Erfahrungen mit ganz ähnlichen Hoffnungen für die gleichen direktdemokra-tischen (Volks-)Rechte - dabei bezogen sich die US-Demokratiereformer immer wieder auf die schweizerischen Erfahrungen.
Zürich 1867: • Karl Bürkli (1825-1901), der Frühsozialist und Pionier der sich etwas später formierenden Arbeiterbewegung, rief im Dezember 1867 in Zürich: • «Unter System verstehe ich den verderblichen Einfluss der Interessenwirtschaft. Das System wie die Cholera ist nicht mit Händen zu greifen, aber man spürt es in allen Gliedern. Anno 1830 konnte die Stadtaristokratie unschädlich gemacht werden, in dem man die Gesetzgebung in die Hände der Vertreter des ganzen Kantons legte, und jetzt kann die aufstrebende Geldaristokratie nur dann in Schranken darnieder gehalten werden, wenn man den Schwerpunkt der Gesetzgebung weiter hinaus, ins ganze Volk, verlegt; denn die paar hundert Kantonsräte, das heisst die Repräsentativdemokratie, ist nicht mächtig genug, der Korruption zu widerstehen.»
Chicago 1900: • Final report of the National-Anti-Trust Conference held in Chicago in February 1900: • «And whereas, The political power of the trust lies in their frequent representation in and control of the houses of legislation, we recommend the adoption of the system known as direct legislation, to make government once more as of right it ought to be , and as it was conceives alike by Thomas Jefferson and Abraham Lincoln, a government of the people, for the people and by the people.” • Thomas Gobel, A Government by the People, Direct Democracy in America 1890-1914, University of North Carolina Press, 2002, p.41
Portland/Oregon 1894: • The „Joint Committee on Direct Legislation“, under the leadership of William U‘Ren (1859-1949), declared: • «Claiming that the legislature was composed of the „representatives of the monied and monopolistic classes“, the committee distributed more than fifty thousand pamphlets showing how direct democracy would „make it impossible for corporations and boodlers to obtain unjust measures by which to profit at the expense of the people. • Oregon could then follow in the path of the middle-class paradise of Switzerland, which has ‘no beggars, paupers,nor home-made millionaires.” • Robert D.Johnston, The radical middle class, populist democracy and the question of capitalism in progressive era, Portland, Oregon, Princeton, 2003, p.122
Winterthur/Zürich 1867: • „Landbote“-Verleger Salomon Bleuler (1829 - 1886) erläuterte am 15.Dezember 1867 in Winterthur den «Hauptpunkt der Bewegung», die Erweiterung der Volksrechte: • «Er trifft eines unserer Hauptübel in seinem Kern und Lebensnerv, er durchschneidet und zerschmettert die einseitige Interessenwirtschaft, die Übermacht des einzelnen und seiner willfährigen Trabanten, das ungebührliche Erstarken der Regierungsgewohnheit und ihres Eigensinns.»
Portland/Oregon, 1903: • The liberal Democratic Oregon Journal ,16.Juli 1903: • «The virtue of direct democracy was to overthrow of the rule ‚by the class, the organized minority, the rich and powerful‘; the initiative and referendum were of untold value to the masses, as a defense against corporate aggression.“ • William S.U’Ren, 1914, in the “Oregonian”: • “No one class can make the law in Oregon now.It was not so before the initiative and referendum were adopted.” • Robert Johnston, op.cit., p.124 and 133
Los Angeles/California 1905: • John Randolph Haynes (1853- ) wrote to the National American Woman’s Suffrage Association in June 1905: • «Under the Initiative and Referendum you could at any time secure the submission of your measure, by proper, petition, in spite of any opposition from the machine.“ • Thomas Goebel, op.cit., p.87
Woodrow Wilson 1890/1911: • Der Politikwissenschafter,Universitätsrektor und US-Präsident wurde vom DD-Bekämpfer zum Befürworter und differenzierten Unterstützer der DD: • In “The State”, 1890’s: “Lowers the responsability of the Representatives, voters do not posses the ability to pass judgments on issues of public policy...” • 1911, in Oregon: “While it is true that the initiative and referendum are among the accepted means of recovering representative government in some parties of the country, in other parts,as for example the South, that would by no means be accepted as true.” • Thomas Goebel, op.cit., p.126 ff
Weshalb fand die DD an der US-Westküste einen fruchtbaren Boden ? • Pionier- und Selbstverwaltungstradition der Siedlungsgesellschaften im 18./19.Jahrhundert • Schwach ausgebildete Parteienstruktur • (Noch) keine festgefügte politische Elite • Verfilztes und oligarchisiertes Parlament („Machine“) • Soziale- und wirtschaftliche Nöte des „Volkes“ (Kapitalnot) • Krise der Modernisierung (Eisenbahn,Fabrik) • Keine Obrigkeitskultur • Lebendige, (selbst)organisationsfähige Zivilgesellschaft • Radikaldemokratische Tradition des aus dem 18.Jh
Die Unterschiede zwischen den schweizerischen und US-amerikanischen Wegen zur DD • In der CH benutzten die Volksbewegungen vorhandene, konzedierte Totalrevisionsrechte - in den USA arbeiteten sie aus den Parlamenten (OREG), mit Parlamentariern (CAL). • Die Mobilisierungen waren in der Schweiz manifester, breiter und mögl. konfrontativer - wobei die Institutionen der DD in der CH mehr auf Kooperation angelegt sind als in den USA.