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Einführung in die Sprachvermittlung 1. Kann man Sprache lehren?. Ulrich Mehlem Uni Bielefeld WS 2006 / 07. Organisatorisches.
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Einführung in die Sprachvermittlung1. Kann man Sprache lehren? Ulrich MehlemUni BielefeldWS 2006 / 07
Organisatorisches • Teilnehmerliste: geht heute herum; 1.Liste: A – La, : 2. Liste: Le - Z bitte in der ersten Spalte unterschreibennicht in Liste: bitte auf dem letzten Blatt eintragen und unterschreiben • Tutorium: Dientags, 12-14 Uhrjeweils 1 Std.; sechs Gruppen A-Fjeweils nur alle 3 Wochen (= 4 Termine im Semester)Tutorin: Sonja von Lindern • Zuordnung der Gruppen alphabetisch: Wechsel möglich, am besten mit TauschAnfangsbuchstaben Gruppe Aa – De ADi – Heg B Hei – La CLe – P D R – S ET – Z F
„Erfolgreiche Teilnahme“ • Lektüre jede Woche ca. 30 Seiten • Anwesenheit im Plenum und Tutorium: Unterschriftenliste an drei Terminen • Fragenlisten à 5 Fragen (10 pro Semester)- Antworten maximal 1 Seite- keine emails, Abgabe als Ausdruck oder in lesbarer Handschrift; Namen nicht vergessen!- Abgabe jeweils möglichst zur nächsten Stunde- Rückgabe und Korrektur im Kurs / Tutorium- Arbeitsgruppen möglich: dann alle Namen auf einem Blatt; Rückgabe an die erste im Alphabet • Klausur: 5 Fragen aus dem ganzen Semester werden in die Zentralklausur eingespeist (Fragen sind im multiple choice format)
Rücksprache mit mir • Sprechstunde: Montag, 10-11 Uhr in C6 201 • email: umehlem@uni-bielefeld.deumehlem@uni-osnabrueck.deInternet: Skript des Kurses, Situngsplan, Literaturliste Fragen zu den Sitzungenwww.uni-bielefeld.de/lili/personen/umehlem
Neuauflage: Voltmedia GmbHPaderborn 2006 ISBN 3-938478-59-4 9,70 € Kopiervorlage der Kapitel 1-2 ab heute 11h bei Frau PienC6 222
- 10 Vorlesungen • erschienen 1976 in Frankfurt • Themen:- Aneignung und Produk-tion von Erfahrung- Materialistischer und bürgerlicher Sprach-begriff- Herkunft und Sozialisa-tionsfunktion des formalen Sprachbegriffs- Sprachbegriff und Sprachpolitik in der Durchsetzung der bürgerlichen Gesell-schaft- Die Wissenschaft von der Sprache- Sprachwissenschaft und Sprachunterricht
Frage evt. akademisch: Versteht sich von selbst! • Im Vordergrund: „wie“ lehren? • Weitergehende Fragen: „was“ / „warum“ lehren? – führen zur Ausgangsfrage zurück • „Was muss man jeweils unter Sprache verstehen, dass man diese Frage mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann. Diese Frage ist in der Fülle von mehr oder weniger gelehrten Diskussionsbeiträgen nie zureichend geklärt worden. Warum eigentlich nicht? Auch die Antwort auf diese Frage gehört zur Klärung.“ (Maas 1976, S.9)
Bei Maas (1976) Bezug auf zahlreiche Wissenschaften: • Aufgrund der Frage nach der Entstehung und gesellschaftlichen Funktion von Sprache: Sozialwissenschaften, insbes. Soziologie, aber auch Politikwissenschaft und Ökonomie • Aufgrund der weitreichenden historischen Bezüge: Geschichtswissenschaft, insbesondere auch: Wissenschaftsgeschichte • Aufgrund der Bezüge zur individuellen Aneignung von Sprache: Psychologie • Aufgrund der Bezüge zu Gesellschaften ohne Schrift: Ethnologie • Sprachwissenschaft im engeren Sinne erst relativ spät
Engeres Gesichtsfeld in dieser Veranstaltung notwendig: kein „studium generale“ • Aber gerade für den Anfang ist der Blick auf übergeordnete Zusammenhänge (die interdisziplinäre Perspektive) wichtig • Vor allem die Ausgangsfrage „Kann man Sprache lehren?“ soll nicht zu schnell durch Detailprobleme verstellt werden • Dazu zwei unterschiedliche Stimmen, zwischen denen 2000 Jahre liegen:
Zwei kritische Stimmen • Patanjali, 200 v. Chr.Mahabhasya:„Jemand, der Wörter benutzen will, geht nicht zum Grammatiker und sagt: „Mach mir ein paar Wörter, ich möchte sie benutzen. Ohne erst zum Grammatiker zu gehen, begreift er den Gegenstand und benutzt die Wörter.“ • Jakob Grimm, 1919 Vorrede zur „deutschen Grammatik“: „Auch kann man die Sprache nicht lehren, sondern nur an ihr lernen.“
Gegensätze • Eine Sache begreifen / sich Wörter geben lassen • An der Sprache lernen / die Sprache lehren • Unmittelbare Erfahrung / Grammatik • Selbstgesteuerter / fremdgesteuerter Prozess • Spracherwerb als Hineinwachsen im Sozialisationsprozess / institutionelle Vermittlung
Wodurch erwerben wir Wissen? • Beweist die Tatsache, dass es schon so lange und in so unterschiedlichen Gesellschaften auf der Welt einen mehr oder weniger institutionalisierten Sprachunterricht gab und gibt, dass es auch der Unterricht ist, der das gewünschte Wissen bzw. die gewünschten Fähigkeiten hervorbringt? • Vielleicht haben die Schüler ihr nötiges Wissen nicht durch den Unterricht, sondern auf andere Weise erworben? • Vielleicht wissen wir, was wir wissen, trotz des Unterrichts?
Schule und Chancengleichheit • Was brauchen Kinder zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft? • offenbar mehr als das, was sie in ihrem natürlichen Spracherwerb lernen • Schule lehrt also etwas anderes als die Sprache, die bereits auf natürlichem Wege gelernt werden kann • Was kann eine Bildungsinstitution „lehren“? - eine andere Sprache (z.B. Latein)- eine Schriftsprache - ein anderes Verhältnis zur Sprache - eine andere Form von Sprache (Standardsprache)
Erster und zweiter Spracherwerb • Schriftspracherwerb als zweiter Spracherwerb geht weit über technische Fragen („Kulturtechniken“) hinaus • Der schulische / institutionell vermittelte Spracherwerb setzt den natürlichen Erwerb voraus und baut auf ihm auf. • Er wiederholt ihn nicht mit anderen Mitteln, die meist schlechter sind als die des natürlichen Erwerbs.
Kernthese Der Sinn dieser Veranstaltung spitzt sich auf folgende These zu: • Gute Sprachvermittlung setzt die Kenntnis erfolgreicher Sprachaneignungsprozesse voraus • Sie muss wissen, aufgrund welcher Mechanismen ein Lernprozess funktioniert, wenn er funktioniert, • Sie muss sich diese Mechanismen und Bedingungen für ihre eigenen Zwecke zu Nutze machen. Dazu folgendes Modell der für die Sprachvermittlung relevanten Instanzen:
1. Das Sprachsystem • Das Sprachsystem ist das, was der Lerner einer Sprache als Tatsache in seiner Umwelt vorfindet. • Es ist keine ungeordnete Sammlung von Einzelgebilden, sondern ein strukturiertes System. Eine wesentliche Eigenschaft des Sprachsystems ist, dass mit einer endlichen Menge von Elementen unendlich viele sprachliche Ausdrücke gebildet werden können. • Diese Eigenschaft nennt man die sprachliche Produktivität.
2. Das sprachliche Lernen • Das sprachliche Lernen hat zwei Bedingungen: das Sprachsystem und die Voraussetzungen, die der Lerner mitbringt. • Eine Besonderheit dieser Voraussetzungen liegt darin, dass der Lerner normalerweise aus begrenzten und häufig fehlerhaften sprachlichen Äußerungen aus seiner Umwelt die Eigenschaften des Sprachsystems rekonstruieren kann. • Eine wichtiges Mittel dabei ist, dass der Lerner Hypothesen über das Sprachsystem aufstellt und diese bei Bedarf korrigiert.
3. Das Sprachwissen • Das sprachliche Wissen ist das Ergebnis eines sprachlichen Lernprozesses. Es ist die kognitive Repräsentation des Systems einer Sprache. • Neues Wissen entsteht, indem ein Sprachlerner mithilfe seines bereits vorhandenen Wissens sprachlichen Input aus seiner Umwelt verarbeitet. • Dabei werden die Strukturen des Sprachsystems „in seinem Kopf“ rekonstruiert.
4. Die Sprachvermittlung • Tritt nur unter bestimmten gesellschaftlichen Voraussetzungen zu den anderen Instanzen hinzu • Ziel ist die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die über den natürlichen Spracherwerb hinaus als erforderlich angesehen werden • Besondere Form „der Aneignung gesellschaft-lich akkumulierter Erfahrung“ (Maas 1976, 36)
Erschienen 2000 • Themen: • - Die unendliche Bibliothek- Die Anatomie der Sprache- Stille Post- Im Zweikampf- Wörter auf der Goldwaage- Von Mäusen und Männern- Die Schrecken der deutschen Sprache- Kinder sagen die töllsten Sachen
Vorteile von Steven Pinkers Buch • Das Buch schlägt durch den Wald neuerer Forschungen eine Schneise, die Ihnen als Einsteigern ein zügiges Fortkommen ermöglicht, ohne dass sie sich sofort im Dickicht verheddern. • Das Buch liest sich leicht; aber obwohl es populärwissenschaftlich ist, stellt es die Sachverhalte korrekt dar. • Pinker hat Humor – und Spaß sollte Wissenschaft schon auch machen!