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100 Jahre Berthold-Otto-Schule. 1906 - 2006. Jubiläumsfeier am 6. Mai 2006. Grußwort des Schulleiters. Liebe Gäste! Unsere Schule hat Geburtstag – 100 Jahre Berthold-Otto-Schule! Ein Grund zum Feiern! Und das möchten wir mit Ihnen und euch heute tun.
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100 Jahre Berthold-Otto-Schule 1906 - 2006 Jubiläumsfeier • am 6. Mai 2006
Grußwort des Schulleiters • Liebe Gäste! • Unsere Schule hat Geburtstag – 100 Jahre Berthold-Otto-Schule! Ein Grund zum Feiern! Und das möchten wir mit Ihnen und euch heute tun. • Schülerinnen und Schüler aus neun (!) Jahrzehnten sind unserer Einladung gefolgt. Leider – aber das liegt in der Natur einer solchen Unternehmung – haben wir nicht alle erreichen können. Doch die Ehemaligen, die heute hier sind, sind sicher neugierig, wie ihre BOS jetzt aussieht. Den ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern wird es ähnlich gehen.Und diejenigen, die zur Zeit hier lernen und arbeiten, geben gern Auskunft: Doch wir Lehrer des jetzigen Kollegiums haben maximal die letzten 20 Jahre im (Rück)blick.Was hat sich aber vor 30, 50 oder gar 70 Jahren ereignet, wie hat sich die Schule/die Schülerschaft entwickelt und verändert? Was ist immer noch typisch und nach wie vor das Besondere dieser BOS? • Es entsteht heute und hier Raum für Begegnung, Gespräch und Austausch von Erinnerungen. Dies ist ganz gewiss im Sinne des Schulgründers Berthold Otto: Ein wahrhaft jahrgangsübergreifender Gesamtunterricht. • Aus den Rückmeldungen gerade der älteren Ehemaligen hörte man oft die Freude über das Jubiläumsfest heraus, verbunden mit Erinnerungen an die eigene Schulzeit: Da erinnerte sich eine Schülerin des Abschlussjahrgang 1956 an Herrn Paulsen, der auch schon mal Schüler auf dem Sozius seines Motorrades mitnahm, weil diese das Geld für die Bahnfahrt nicht hatten. Und dann gibt es eine Familie, die nunmehr in der dritten Generation der BOS die Treue hält: Großvater und Vater waren hier und im Sommer wird die Tochter eingeschult. • Wie hat der Großvater und wie wird die Enkelin die Schulzeit bei uns erleben? • Genau in diesem Spannungsbogen befinden wir uns in der Entwicklung der Berthold-Otto-Schule. Denn Schule muss sich weiterentwickeln (Stichwort: Schulprogramm), aber es gibt eben auch „altmodische“ Grundsätze, die Berthold Otto vor hundert Jahren formulierte und in die Tat umsetzen konnte und die immer noch modern (sprich 2006: „total angesagt“) sind: Lernen kann man nur in einer Umgebung, die eine gewisse Sicherheit und Verlässlichkeit garantiert. • 100 Jahre Berthold-Otto-Schule – die ersten 100 Jahre..., wir freuen uns auf die nächsten. • Thomas Gohlke
Grußwort des Vorsitzenden des Vereins Berthold-Otto-Schule e. V. • 100 Jahre Berthold-Otto-Schule! Eine Zeit, in der sich viel verändert hat. Auch unsere Schule hat Wandlungen erfahren, musste sich aber nie Moden anpassen. Die Grundlage, auf der Berthold Otto baute, ist geblieben: • Freude am Lernen, • Freude am Lehren • Wir gratulieren! • Edzard Paulsen • Vorsitzender
Auszug aus dem Glückwunschschreibendes Staatssekretärs für Bildung • Sehr geehrter Herr Gohlke, sehr geehrter Herr Paulsen, • (...) Zunächst in meiner Funktion als Bezirksstadtrat, nun als Staatssekretär habe ich die beeindruckende pädagogische Arbeit Ihrer Schule stets zu bewerten gewusst. • Der reformpädagogische Ansatz des Schulgründers und Namensgebers Berthold Otto ist bis zum heutigen Tag aktuell und zeichnet sich u.a. durch die Entwicklung einer Grund- und Hauptschule aus, welche durch kleine Lerngruppen und jahrgangsübergreifenden Unterricht den Bedürfnissen ... (der) Schülerinnen und Schüler Rechnung trägt. Damit wird eine überschaubare Situation für Schüler/innen und Lehrkräfte geschaffen, in der angstfreies Lernen in vertrauter Atmosphäre möglich wird. • (...) Viele lobende Worte über das Engagement Ihrer Schule mit allen ihren Akteuren werden Sie ermuntern, auf dem bestehenden Kurs fortzufahren. • Ich möchte mich diesen anschließen und wünsche Ihnen gutes Gelingen für eine schöne feierliche Veranstaltung. • Mit freundlichen Grüßen • gez. Thomas Härtel
Szenen aus den TheaterbeiträgenSzene 1: Gesamtunterricht um 1906 • Ein älterer Mann betritt die Bühne. Die Kinder setzen sich auf die Bänke und schauen ihn erwartungsvoll an. • B.O.: Guten Morgen, Kinder. • Kinder: Guten Morgen, Herr Otto. • B.O.: Na, habt ihr herausgefunden wie die Aufgaben zu lösen waren? • Ludwig: Nicht so richtig. Ich hab’s ganz langeversucht, aber musste dann doch den Friedrich fragen. Aber wollten wir jetzt nicht Gesamtunterricht machen? • B.O.: Ach so, ja stimmt. Was wollt ihr denn wissen? • Heinrich: (meldet sich) Wir wollten gerne wissen, wie die U-Boote funktionieren. • Karl:Wie können die unter Wasser denn überhaupt manövriert werden? • Gustav: Wie werden sie gezündet? • Martha: (meldet sich) Oh nein, bitte nicht schon wieder über diese schrecklichen Waffen reden. Es ist doch jetzt Frühling und wir wollten doch unsere Beete anlegen. • Anna Maria: Ja, ich wollte doch auch noch ein kleines Stück vom Garten haben. • Agathe: Was können wir da denn jetzt noch anpflanzen? • Anna Maria:Kann ich da Spargel und Erdbeeren züchten? • B.O.: (lacht) Na, ihr seid ja wieder voller Fragen. Da muss ich jetzt mal schauen, wie wir das machen können. Hat jemand eine Idee? • Martha:Ja, erst sind die Mädchen dran und dann die Buben. • B.O.: Wieso denn das? • Agnes:Ist doch klar, wer nichts gegessen hat, kann nicht in den Krieg ziehen.
Theaterszene Seite 2 • B.O.: Da hat sie auch wieder Recht. Nicht wahr? • Robert: Oh, das ist langweilig, da kann ich doch gleich in Opas Schrebergarten gehen. • B.O.: Gute Idee und dann fragst du deinen Großvater, ob er ein paar Pflänzchen entbehren kann und ein paar Tipps für uns hat. • Robert: Das macht er sicher gerne, ich hoffe nur, ich kann mir alles merken. Wenn Opa einmal anfängt über seine Rüben zu reden, dann hört er so schnell nicht mehr auf. • B.O.: Vielleicht kann dich ja eins der Mädchen begleiten? Anna Maria was hältst du davon? • Anna Maria:Das mach ich gerne. Wir können ja gleich nachher mit dem Fahrrad dorthin fahren. • Robert: Ist gut. • B.O.: Ja, und dann berichtet ihr uns morgen davon. Um dein Gartenstück kümmern wir uns gleich nach dem Schülergericht Anna Maria. • Anna Maria: Das ist gut.Ich möchte aber auf keinen Fall das Stück neben dem Teich. Da laufen immer alle rüber um nach den Kaulquappen zu sehen. • B.O.: Ich denke, wir werden da noch etwas anderes finden. Und nun zu eurer Frage nach den U-Booten. So genau habe ich mich damit auch noch nicht beschäftigt. Weiß vielleicht einer von euch wie die funktionieren? • Heinrich: Ich weiß nur, dass sie an der Oberfläche schneller fahren und unter Wasser mit Batterien angetrieben werden, die nur wenige Stunden halten. • Gustav: Ja und dass sie Magnetzünder haben, die auf das magnetische Feld am Rumpf reagieren sollen. • B.O.: Das ist ja schon interessant, erklärt uns aber noch nicht wie sie funktionieren. • Karl: Vielleicht kennt ja jemand von uns einen U-Boot Kommandanten?Den könnten wir dann ja mal fragen. • B.O.: Das glaub ich zwar nicht, ich fürchte wir müssen dieses Thema vertagen und uns noch ein bisschen schlauer machen bevor wir das weiter besprechen. Was haltet ihr von einer Pause. • Kinder: Gute Idee, lasst uns doch wieder Brückenzeck spielen.
Das Schülergericht • Oberrichter: Guten Tag alle miteinander. Wir haben heute zwei Klagen vorliegen. Darf ich fragen, ob Kläger und Angeklagte erschienen sind? • Schreiber: Da sind zum einen Martha und Heinrich aus dem Mittelkurs und Robert und Agnes, ebenfalls aus dem Mittelkurs. Sie sind anwesend. • Oberrichter: Dann erkläre ich die Verhandlung für eröffnet. Wie lauten die Vorwürfe? • Schreiber: (liest von einem Zettel ab) Heinrich schreibt: Martha nimmt Gustav und mir immer unsere Mützen ab und versteckt sie dann. • Oberrichter: Martha und Heinrich tretet doch bitte vor. Was hast du dazu zu sagen, Martha? • Martha: Nicht immer, ich mach das nur, wenn die mich ärgern. • Oberrichter: Wie ärgern die dich denn? • Martha: Na ja, die flüstern immer miteinander und lachen dann über mich. • Oberrichter: Und du meinst, dass sie über dich lachen? Woher weißt du das? • Martha: Die gucken immer rüber zu mir. • Oberrichter: Und dann bestrafst du sie, indem du ihre Mützen klaust? • Martha: Ja, die sollen sich auch ärgern. • Oberrichter: Heinrich, stimmt das, was Martha sagt? • Heinrich: Nein, das stimmt so nicht. Eigentlich ist es eher umgekehrt. Wir müssen nur über den Flur kommen, da kommt sie von hinten an und schnappt sich eine Mütze und läuft dann lachend davon. Wir werden dann immer ausgelacht, weil wir ja ein Mädchen nicht hauen dürfen. • Oberrichter: Kannst du das bestätigen, Gustav? • Gustav: Ja schon, aber meistens ist das doch alles nur Spaß. • Oberrichter: Heinrich scheint das aber nicht mehr spaßig zu finden. • Heinrich: Nein, wirklich nicht, irgendwann vergesse ich meine guten Manieren.
Das Schülergericht Seite 2 • Oberrichter: Da ist es gut, dass du dich zuerst an uns wendest (der O. schaut sich um und fragt die anderen Richterinnen). Habt ihr noch Fragen ? • Anna Marie: Nein, ich denke, es ist alles klar. • Die Richter beraten sich. • Oberrichter: Martha, du wirst die Hausregeln einmal abschreiben. Wir denken du weißt, dass das nicht in Ordnung ist was du da machst und wir ordnen hiermit an, dass du die Mützen deiner Mitschüler künftig in Ruhe lässt und vor allem Heinrich nicht mehr ärgerst, dann wird er auch aufhören über dich zu lachen. Nimmst du das Urteil an? • Martha:Ja, ich nehme das Urteil an. • Oberrichter: Kommen wir nun zum zweiten Fall. Was liegt an? • Schreiber(Ludwig):(liest wieder) Agnes schreibt: Meine Federtasche lag im Tafeleimer und hat sich dann aufgelöst. Ich glaube, dass Robert sie dorthin geworfen hat. • Oberrichter: Agnes und Robert kommt bitte zu uns. (Sie kommen vor den Tisch). Robert, stimmt das, was Agnes hier behauptet? • Robert: Na ja, aber ich war das nicht alleine. • Oberrichter: Wer war denn noch daran beteiligt? • Robert:Das möchte ich nicht sagen. Ich finde derjenige sollte sich selber stellen. • Oberrichter: Das ist zwar richtig, aber wie kommst du darauf, dass er das tut? • Robert:Es war ja schließlich keine Absicht. Wir haben nur Fangen gespielt und plötzlich lag die Tasche im Wasser. • Richterin Agathe:Wieso spielt ihr denn mit Agnes Federtasche fangen? • Robert:Wir dürfen doch nicht mit dem Ball! • Richterin Anna Marie:Aber mit anderer Leute Federtasche? Kennt ihr denn nicht § 2 unseres Schulgesetzes? • Robert: Doch natürlich kenn ich das.
Das Schülergericht Seite 3 • Oberrichter: Robert, was glaubst du wie wir den Mitschuldigen dazu bewegen können sich freiwillig zu melden, wenn er das bis jetzt nicht gemacht hat? • Robert:(schaut sich hilfesuchend um) Na ja, ich dachte, er traut sich jetzt vielleicht. • Oberrichter: (schaut ebenfalls in die Runde) Hat hier irgend jemand noch etwas hinzuzufügen? • Gustav:(meldet sich schüchtern) Ja, ich war’s. Ich habe mitgemacht. • Oberrichter: Na, det wurde aber auch Zeit. Gut das du’s endlich zugibst. Gibt es noch etwas hinzuzufügen? (Alle schütteln die Köpfe) • Die Richter beraten sich. • Gustav, komm doch bitte zu uns. • Richterin Anna Marie:Im Namen der Schülerschaft der Berthold-Otto-Schule ergeht folgendes Urteil:Die Angeklagten Robert und Gustav sind zu vollem Ersatz der Federmappe verpflichtet. Außerdem lernt ihr zu kommendem Montag die Ballade „Die Bürgschaft“ von Schiller auswendig. • Oberrichter: Zur Begründung, ihr beide habt ganz klar und wissentlich gegen ein Gesetz unserer Schule verstoßen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihr die Tat erst noch leugnen wolltet. Da ihr euch schließlich doch noch zu eurer Tat bekannt habt wollen wir Gnade vor Recht ergehen lassen. Nehmt ihr das Urteil an? • Gustav und Robert(zerknirscht): Ja, wir nehmen das Urteil an.
Biographie Berthold Otto6. August 1859 ‑ 29. Juni 1933 • Nach dem Abitur in Schleswig studierte Berthold Otto in Berlin, u.a. Philosophie, alte Sprachen, Staatsrecht und Nationalökonomie; hörte Vorlesungen über Psychologie und Pädagogik bei Steinthal und Paulsen. Wichtige Erfahrungen machte er als Privatlehrer, arbeitete als Redakteur in Hamburg und dann, als die Gründung einer Familie einen regelmäßigen Broterwerb nötig machte, als Redakteur in Leipzig bei Brockhaus. Den öffentlichen Schuleinrichtungen stand er kritisch gegenüber. Dort würde Lernzwang die Freude am Lernen verdrängen. So weigerte er sich, seine (zunächst fünf) Kinder „in die Schule zu schicken“. Er setzte durch, dass er sie allein unterrichten durfte; seine Kinder haben nie eine staatliche Schule besucht. • Berthold Otto nahm an Artur Schulz' Tagungen für Erziehung in Weimar teil, hielt Vorträge über die Reform der Schule, arbeitete an seinem Werk über die Zukunftsschule, wie er sie sich vorstellte, und gab seit 1901 die Wochenschrift „Der Hauslehrer“ heraus. • In Berlin erregten seine Gedanken Aufmerksamkeit. Ministerialdirektor Althoff, zuständig für höheres Schulwesen und die Universitäten in Preußen, bot Otto an, nach Berlin zu ziehen und dort ohne Auflagen an seinen Ideen weiter zu arbeiten. Ein angemessenes Honorar wurde vereinbart. • Im „Hauslehrer“ gab Otto Eltern, Lehrern und Erziehern Beispiele, wie man Themen aller Art allgemeinverständlich behandeln könne. Er habe festgestellt, dass Kinder auch auf geistigem Gebiet ihre Fähigkeiten entwickelten, ohne dass sie dazu angehalten werden müssten. Die Frage des Kindes bedürfe nur der richtigen, verständlichen Antwort. Das Erlernen der „1. Fremdsprache“, der Muttersprache, ginge ganz ohne Lehrplan auf natürliche Weise im Kreise der Familie und der umgebenden Gesellschaft vor sich. Diese natürliche Kraft brauche nur gestärkt bzw. nicht gehemmt zu werden. Psychologisch geschickte Lehrer dürften zwar Anregungen geben , aber keine Zwangserkenntnisse durchzusetzen versuchen, erzwungene „Erkenntnisse“ würden auch nicht haften. • Eltern, von Ottos Schriften und Vorträgen angeregt und überzeugt, forderten Otto auf, seine Erkenntnisse doch in einer eigenen Schule umzusetzen. So entstand 1906 die Berthold-Otto-Schule. • Mit der kleinen Gruppe von Kindern verschiedener Altersstufen hielt Otto zunächst nur freien Gesamtunterricht ab, praktisch eine Erweiterung des Tischgesprächs seiner Familie. Hier ergaben sich bald Wünsche nach Vertiefung einzelner Themen und so wurde bald auch Fachunterricht eingerichtet. Der Gesamtunterricht blieb aber als letzte Stunde des Schultages bestehen; hier traf sich die kleine Schulgemeinde, um alle vorgebrachten Themen zu besprechen und Fragen zu beantworten. Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Religionen waren hier selbstverständliches Gesetz.
Biographie Berthold Otto Seite 2 • Da Schulangst nach Ottos Meinung wahres Lernen unmöglich machte, gab es keine Zwangsthemen, keine Zensuren, keine Versetzungen und kein Sitzenbleiben. Leistungsschwächere Schüler wurden geschützt und getröstet, wenn möglich in Fördergruppen zusammengefasst, wie denn ja auch Interessengruppen gebildet wurden, um schneller auffassenden Schülern gerecht zu werden. Alle aber gehörten zu der „Gemeinde“, die sich im Gesamtunterricht zusammenfand. • Die Lehrer mussten streng nach dem Prinzip der Isolierung der Schwierigkeiten vorgehen und so sprechen, dass sie von den Schülern verstanden wurden (Altersmundart), nie aber länger bei einem Thema verharren als das Interesse der Schüler wach war. • Im Gesamtunterricht entstand auch der Wunsch, eine eigene Verwaltung aufzubauen. Ältere Schüler schufen eigene Gesetze und eine Wahlordnung, ja schließlich auch ein „Gericht“, das kleinere Verstöße gegen die Gesetze „ahndete“. So entstand ein kleiner Staat, eine kleine Demokratie; wurde doch gewählt: Kanzler und Ordner, schließlich auch Richter und Protokollführer, und jeder Schüler konnte sich zur Wahl stellen. • Im Gesamtunterricht wurden Themen besprochen ‑ Otto schloss grundsätzlich kein Thema aus, das von Schülern vorgetragen wurde ‑ die in den Lehrplänen der staatlichen Schulen nicht enthalten waren. Berichte über Theaterbesuche regten oft zu Aufführungen ‑ auch anspruchsvollerer Theaterstücke ‑ an. Gemeinsame Wanderungen ‑ es war ja die Zeit der Jugendbewegung ‑ wurden geplant und durchgeführt, kurz: die Schulgemeinsamkeit wurde oft noch in der sogenannten „Freizeit“ fortgesetzt. Das allgemeine Interesse an dieser so anderen Schule war so groß, dass am Unterricht oft Hospitanten, ‑ Studenten, Dozenten, Lehrer und andere interessierte Erwachsene, nicht nur aus Deutschland, teilnahmen. • Berthold Otto nahm am Leben des deutschen Volkes in Krieg und Frieden regen Anteil. Er sah das Gelddenken als einen Krebsschaden an der Wirtschaft an, er schlug eine „Kriegsrechenwirtschaft“ vor, mit deren Hilfe die Verteilung der verfügbaren Güter gerechter geregelt werden sollte, und nach dem Krieg war er beteiligt an der Gründung eines „Bundes für Inneren Frieden“, der die Radikalität der Parteien dämpfen sollte, er gab weiter seinen „Hauslehrer“ (nun unter dem Nahmen „Volksgeist“) heraus. • Berthold Otto erlebte ‑ schwer krank schon ‑ Hitlers Machtübernahme. Seine Toleranz gegenüber Religionen und Rassen hatte ihn ferngehalten von allem Radikalismus, so auch von Hitlers Nationalsozialismus. • Er starb am 29. Juni 1933. Sein Grab auf dem Parkfriedhof Lichterfelde wird von der Schule gepflegt. • E. Paulsen
Was sagt Berthold Otto? • Der Lehrer, wie wir ihn verlangen, tritt nicht als höherer, durch eine tiefe Kluft von den niederen getrennter Geist den Schülern gegenüber, sondern er gibt sich der ungeheuren Menge von ungelösten Welträtseln gegenüber dem Schüler als ein Mitforschender, Mitsuchender. Und er lässt es durchaus auf den Gang des Unterrichtsgesprächs ankommen, ob er in diesem Fall wirklich allen Schülern voraus ist. Ich selbst betrachte es wenigstens durchaus als das Gewöhnliche, dass in der Unterrichtsstunde Gebiete gestreift werden, auf denen irgendeiner der Schüler im Beobachten und Denken weiter ist als ich selbst. Und ich fühle mich dabei niemals beschämt, sondern immer nur belehrt und gefördert. Und die Art und Weise, wie ich diese Belehrung und Förderung aufnehme, hat, soweit ich beobachten kann, auf alle Schüler, die an dem Gespräch beteiligt sind, die allergünstigsten - auch sittlichen - Wirkungen. Eine gewisse Leitung der Unterrichtsstunde habe ich dabei natürlich immer in der Hand; aber nur so, wie sie der Vorsitzende der Versammlung hat, der auch nicht als höherer Geist über den Versammelten steht, sondern keinen Augenblick vergisst, dass er seinesgleichen gegenüber steht. • Ich bin überzeugt, dass für die Entwicklung des Geistes das Wesentliche getan ist, wenn wir die Menschen dazu bringen, dass sie ohne alle übernommenen unverstandenen Phrasen denken, sprechen und schreiben. Wer das kann, der schöpft bei allem was er denkt, spricht und schreibt nur aus seiner eigenen Anschauung. • Die Neugierde ist, allem theoretischen Gerede zum Trotz, psychologisch dasselbe wie der Erkenntnistrieb. Wir nennen diesen Trieb Neugierde, sobald er uns unbequem wird. Wer also formuliert, Kinder zeigten keinen Erkenntnistrieb, sondern nur Neugierde, der sagt damit nur, dass er mit dem Erkenntnistrieb der Kinder nichts anzufangen weiß. • Der Geist des Kindes strebt mit derselben Energie nach wissenschaftlicher Erkenntnis und nach Weltanschauung, wie der Körper danach strebt, zu seiner vollen Größe emporzuwachsen. Ich glaube wirklich, dass wir uns über die Möglichkeit, das geistige Wachstum zu fördern, sehr großen Täuschungen hingeben, dass wir aber das geistige Wachstum weit öfter und weit entschiedener gehemmt haben, als das mit dem körperlichen Wachstum jemals möglich gewesen ist. • Und noch einmal: Wenn alle erkenntnishungrigen Fragen der Kinder abgelehnt werden, so wird damit der Erkenntnistrieb der Kinder ebenso sicher geschädigt, wie jedes Organ verkümmert, das man seiner natürlichen Funktion entzieht.
100 Jahre Berthold-Otto-SchuleEine Chronik • 1906 • Am 23. April 1906 gründet Berthold Otto in seiner Privatwohnung in der Dürerstraße eine Privatschule, die sog. Hauslehrerschule, • welche vorher nur ein Lernzirkel war, in dem er neben seinen eigenen auch die Nachbarkinder unterrichtet hatte. • 1911 • Die Schule zieht um zur Holbeinstraße 21. Das Schulhaus steht auf einem ca. 5000 m² großen Grundstück mitten im Grünen. Finanziert wurde es durch die Geldspende einer Schülermutter. • 1930 • Berthold Ottos Tochter, Frau Irmgard Meyer-Otto, übernimmt die Leitung der Schule. Er selbst ist inzwischen schwer erkrankt. Die Schule wird nach ihrem Gründer Berthold-Otto-Schule benannt.
Chronik Seite 2 • 1933 • Berthold Otto stirbt am 29. Juni. • 1933 - 1945 • DerSchulbetrieb wird so lange wie möglich aufrechterhalten. Zwei Mal erfolgt eine sog. „Kinderlandverschickung“ nach Thüringen bzw. Tschechien. Gegen Ende des Krieges flüchtet Frau Meyer-Otto mit den Schülern zunächst in die Region des Bayerischen Waldes und findet schließlich auf einem oberbayerischen Landhof in Ruhpolding Zuflucht. Gegen Kriegsende wird das Schulhaus beinahe durch eine Luftmine zerstört. 1947 Der Schulbetrieb wird mit Genehmigung der Alliierten wieder aufgenommen. 1957 Erweiterung des Schulgebäudes um einen Anbau mit Werkkeller und einen Raum für Naturwissenschaften. Hinzu kommt ferner eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft aus Holz, die zunächst als Unterstellraum für Ergebnisse des Kunst- und Werkunterrichtes dient, später als Klassenraum benutzt wird (das „Kleine Häuschen“).
Chronik Seite 3 • 1962 • Einstufung der Schule aus Gründen der Bezuschussung. Sie erhält den Titel • Berthold-Otto-Schule • Private Sonderschule nach der Pädagogik Berthold Ottos • Klasse 1 bis Klasse 10 • 1965 • Gründung des Fördervereins „Freunde der Berthold-Otto-Schule (e.V.)“ • 1966 • Herr Edzard Paulsen, ein Enkel Berthold Ottos, übernimmt die Schulleitung und die Trägerschaft der Schule. • Er ist bis heute aktiv am Geschehen seiner Schule beteiligt. • 1970 – 1980 • Das Schulgebäude erhält seine heutige Gestalt: ein asphaltierter vorderer Teil, • auch als Basketball- oder Fußballplatz verwendbar, und hinten das „Wäldchen“. • Auch entstehen noch zwei äußere Klassenräume.
Chronik Seite 4 • 1991 • Der Verein „Berthold-Otto-Schule e.V.“ wird gegründet. Diesem gehören u.a. Freunde der Schule, ehemalige Schüler und Lehrer an. • 1995 • Der Verein übernimmt die Trägerschaft der Schule. • Richtfest für einen weiteren äußeren Klassenraum • 1997 • Die Bedingungen für die „Externe Prüfung“, welche die Schüler ablegen müssen, wenn sie einen staatlich anerkannten Haupt- oder Realschulabschluss erlangen wollen, werden immer schwieriger. Die Schule arbeitet deshalb auf die staatliche Anerkennung hin. Die Schule heißt nun: • Staatlich anerkannte Privatschule nach der Pädagogik Berthold Ottos • Grund- und Hauptschule • 1998 • In der Nacht vom 6. zum 7. November brennt der Dachstuhl des Hauptgebäudes. • Die Feuerwehr ist zwar schnell alarmiert, doch die Schäden, auch durch das • Löschwasser, sind immens.
Nur durch die Hilfe der evangelischen Paulusgemeinde, die der Schule Räume zur Verfügung stellt, kann der Unterrichtsbetrieb aufrechterhalten werden. Der Wiederaufbau gelingt! 2000 Die Schule erhält zwei weitere äußere Klassenräume. Weichen müssen die beiden Fertigteilbauten aus den 70ern. Chronik Seite 5 2002 Die Arbeiten für weitere Klassenräume beginnen. Anfang 2003 kann nun in insgesamt sieben Außenräumen unterrichtet werden. Auch eine frisch renovierte und eingerichtete Lehrküche im Wohnhaus Holbeinstraße 21 ist betriebsbereit. Fast alle Klassenräume verfügen über einen eigenen Computer mit Internetanschluss, ferner ist ein Computerraum mit sechs Arbeitsplätzen vorhanden. 2006 Die Schule besteht 100 Jahre.
Die Schüler der Berthold-Otto-Schuleim Jubiläumsjahr (U1/2 - M3)
Die U1/2 der Berthold-Otto-SchuleImpressionen aus dem Alltag einer jahrgangsgemischten ersten und zweiten Klasse • Eine Klasse zu übernehmen, die aus einem ersten und zweiten Jahrgang besteht, war für mich neben der Herausforderung, frisch von der Uni in die Rolle einer Lehrerin zu schlüpfen, voller Neuheiten und aufregender Wagnisse. Nicht nur die Schüler haben gelernt und gelebt, sondern auch ich habe, ab von der Unterrichtsroutine an den mir bekannten staatlichen Schulen, eine ganz andere Art des Unterrichtens an der Berthold-Otto-Schule kennen gelernt. Mit insgesamt nur zwölf Schülern, davon sieben Erstklässler (U1) und fünf Zweitklässler (U2), erfuhr ich eine Welt, die durch gemeinsames Entdecken, Verknüpfungen finden, Einigen und Verwerfen, Diskutieren sowie das fächerübergreifende Erleben verschiedener Themenfelder bereichert wurde. Jede Jahrgangsstufe stellt die verantwortlichen Lehrer vor eine andere Herausforderung. Das Arbeiten mit Schülern bringt viele schöne, aber vielleicht auch nicht so schöne Situationen hervor, die einem noch lange in Erinnerung bleiben. Ich wage aber zu behaupten, dass sich amüsante, witzige oder anekdotenhafte Geschehnisse in den unteren Jahrgängen vermehrt häufen. Auf Grund dessen möchte ich Ihnen im Folgenden ein paar Ausschnitte aus dem besonderen, aber auch alltäglichen Leben und Lernen der U1/2 der Berthold-Otto-Schule anhand von Kurzberichten, Schülerbeiträgen und Bildern näher bringen.
Die U1/2 der Berthold-Otto-SchuleS. 2 Als Herr Otto verreiste Herr B. kommt aus dem Schulhaus und trägt die Gipsbüste von Berthold Otto auf den Hof. Ebenso strömen einzelne Schüler des Kurses U1/2 ins Freie und beobachten erstaunt das Geschehen. Ein Mädchen fragt ergriffen: „Herr B., wo bringst du den Herrn Otto hin?!“ Leicht aus der Puste gekommen antwortet er: „Die Büste hat in den Jahren ein bisschen gelitten und an einigen Stellen sind Teile abgeplatzt. Wir wollen ….“. Betroffene Gesichter und ein ergriffener Chor von nun mehreren Schülern, die dazugekommen sind, äußert sich in einem geballten: „Oooooh, der arme Herr Otto!“ Und ein Junge fügt noch hinzu: „Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser.“ Seine angefangene Erklärung nun zu Ende führend, berichtet Herr B. schmunzelnd den Wissensdurstigen von dem Vorhaben, die Büste in Bronze gießen zu lassen. Dieses beeindruckende und an die Urkräfte vergangener Tage erinnernde Ereignis des Gießens dürfen später einige Schüler der U3 bis M1 in einer Gießerei miterleben.
Die U1/2 der Berthold-Otto-SchuleS. 3 • Rituale und Allerlei, das sich entwickelt hat • Immer wiederkehrende Arbeitsanweisungen, Beschreibungen und Handlungen nennt man oft auch Rituale. Nicht nur der Lehrkraft wird ein ewiges Wiederholen erspart, auch die Schüler wissen ohne Worte was zu tun ist. Die Palette der Signale reicht vom Klangstab, der die Arbeitsphasen ein- und ausläutet; über den Regenstab, der, wenn er erklingt, für eine leisere Arbeitsatmosphäre sorgt; bis hin zu ein paar Seifenblasen für jeden Tisch, wenn an diesem Tag besonders gut gearbeitet wurde. Anhand eines einfachen Kreiszeichens an der Tafel bilden die Schüler leise einen Stuhlkreis, bei zwei Kreisen kommen sie ins Tafelkino (zwei Reihen sitzen versetzt hintereinander), aber das wohl beliebteste Zeichen in der Klasse, gleichrangig mit den Seifenblasen, ist das Leisezeichen, „der Fuchs“: Ohren gespitzt, Münder zu. Der Fuchs ist ein Handzeichen, das geformt wird, indem man den Mittel- und Ringfinger zum Daumen führt und Zeigefinger und kleinen Finger in die Luft spreizt. Der Fuchs kann so das Maul auf und zu machen und mit den Ohren zusammen oder separat wackeln. Probieren Sie es doch einmal selbst aus. Konzentration und die Flitzepause Eine ganze Schulstunde konzentriert durchzuarbeiten fällt nicht nur den meisten Grundschülern schwer. Doch gerade bei den Kleinen merkt man wie nötig die Bewegung und Abwechslung ist. Dies war die Geburtsstunde der „Flitzepause“. Mit, aber auch ohne die Ansage, wie viele Runden um den Schulhof gelaufen werden müssen, stürmen die Bewegungs- und Sauerstoffhungrigen jubelnd aus der Klasse. Ich bin gespannt wie lange die Freude am Laufen und der Bewegung noch anhält.
Die U1/2 der Berthold-Otto-SchuleS. 4 • Der Rap • Der ABC-Rap basiert auf dem jahrgangs-übergreifenden Deutsch-Lehrwerk „Konfetti“. Mit diesem Werk erarbeiten sich die Erstklässler selbständig die Druckbuchstaben und die Zweitklässler die Schreibschrift. Für die Druckbuchstaben gibt es eine Buchstaben-Bilder-Tabelle, anhand derer die Schüler vom ersten Schultag an mit allen Buchstaben des Alphabets schreiben können. Der Rap ist eben für diese Buchstaben-Bilder-Kombination entwickelt worden. Hier ein kleiner Auszug: J wie Jacke, H wie Hut, B wie Baum – das geht echt gut, G wie Gabel, F wie Feder, R wie Radio, das weiß jeder, S wie Sonne – ich hab´s raus D wie Dose, M wie Maus. ... Auf in die Ferne Theaterbesuche, Museum, Botanischer Garten, Konzerte und Ausflüge gehören an unserer Schule zum Lernen und Erleben dazu. Ungewöhnlich, und auch für mich eine Erlebnis, war die fünftägige Klassenfahrt auf das Gut Falkenhain bei Templin. Verrückt wurde ich im Vorfeld von meinen Bekannten bezeichnet, als ich ihnen erzählte, dass ich mit Erst- und Zweiklässlern so lange verreisen will. Viele Impressionen und fotographische Dokumentationen erinnern im Nachhinein an eine Klassenreise, die nicht nur das Sozialsystem der Klasse enger zusammengeführt hat, sondern auch gezeigt hat wie eigenständig, mitdenkend, umsichtig und Reif junge Menschen handeln können, wenn man ihnen den Handlungsspielraum für Eigenverantwortung und Selbständigkeit lässt. Ich kann nur jeden ermutigen diese Erfahrung zu machen, wenn auch das Heimwehtrösten zum Alltag dieser Erfahrung dazugehört.
Die U1/2 der Berthold-Otto-SchuleS. 5 Um den Schlachtensee Jedes Jahr im Herbst findet an der Berthold-Otto-Schule die traditionelle Schulwanderung um den Schlachtensee statt. Ein Brauch, bei dem nicht nur klasseninterne Kontakt gepflegt werden, sondern auch ein klassenübergreifendes Gemeinschaftsgefühl geweckt wird. Zwei Erstklässler haben hierzu ihre Eindrücke festgehalten.