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Ethnologie in Frankreich nach 1945: Strukturalismus. Claude Lévi-Strauss & Louis Dumont 17. 1. 07 . Claude Lévi-Strauss . 1908 – Studium Jura & Philosophie 1932 Abschluss Philosophie, Professor an Gymnasium
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Ethnologie in Frankreich nach 1945: Strukturalismus Claude Lévi-Strauss & Louis Dumont 17. 1. 07
Claude Lévi-Strauss • 1908 – • Studium Jura & Philosophie • 1932 Abschluss Philosophie, Professor an Gymnasium • 1934 – 1937 Lehrstuhl in Brasilien (Sao Paulo), Reisen ins Innere, Nambikwara Indianer • 1941 Stellung an New School of Social Research in New York, Bekanntschaft mit Roman Jacobson • 1947 Promotion bei Marcel Mauss in Paris (Elementare Strukturen der Verwandtschaft) • 1950 Studiendirektor an der École Pratique des Hautes Études • 1959 – 1982 Professor am Collège de France in Paris
Ausgewählte Schriften • 1948 - Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft • 1955 - Traurige Tropen • 1958 - Strukturale Anthropologie I • 1962 - Das Ende des Totemismus • 1962 - Das wilde Denken • 1964-1971 - Mythologica (4 Bände) • 1971 - Der nackte Mensch • 1975 - Strukturale Anthropologie II • 1993 - Sehen, Hören, Lesen
‚Kultur‘ bei Lévi-Strauss: Symbolische Kommunikationssysteme: • Verwandtschaft • Mythen • Kunst → Wie eine Sprache Aufgabe der Ethnologie: dem Vergleich von Kulturen = symbolischen Strukturen, um zu Verständnis des menschlichen Geistes / Denkens zu gelangen
Strukturale Anthropologie I (1958): "... Ethnologie ist ein erster Schritt zur Synthese. (...) Diese Synthese kann in drei Richtungen vor sich gehen: geographisch, wenn man Kenntnisse über Nachbargruppen erfassen will; historisch, wenn man die Vergangenheit eines Volkes oder mehrer Völker rekonstruieren will; und schließlich systematisch, wenn man diesen oder jenen Typus der Technik, des Brauches oder der Institutionen isoliert, um ihm eine besondere Bedeutung zu geben" (S. 379)
Ziel der Ethnologie: • Kenntnisse über den Menschen in seiner „Totalität zu gewinnen • Kritik an Kulturanthropologie (Boas-Schule): zerstückelte Beobachtung • Unterschiede zwischen Gesellschaften/Kulturen nicht zufällig, sondern komplementär → gemeinsame geistige Grundlagen
Komplementarität im Umgang mit ‚Geschichte‘: "Wir haben (...) vorgeschlagen, dass die unglückliche Unterscheidung zwischen den 'geschichtslosen Völkern' und den anderen vorteilhaft ersetzt werden könnte zwischen dem, was wir die 'kalten' Gesellschaften und die 'warmen' Gesellschaften genannt haben: die einen versuchen dank den Institutionen, die sie sich geben, auf gleichsam automatische Weise die Wirkung zu annullieren, die die historischen Faktoren auf ihr Gleichgewicht und ihre Kontinuität haben könnten; und die anderen interiorisieren entschlossen das historische Werden, um es zum Motor ihrer Entwicklung zu machen" (Das Wilde Denken, S. 170)
Der Begriff des Unbewußten bei Lévi-Strauss • Analogie zu Grammatik • Regeln der Grammatik / Regeln der Kultur sind Sprecher/Akteur nicht bewußt • Marcel Mauss: ‚Unbewußte‘ ist eine Kategorie des kollektiven Denkens, symbolische Systeme • C.G. Jung: das kollektive Unbewußte arbeitet mit bestimmten Symbolen, die universelle Gültigkeit besitzen
Ideen aus der Geologie • Realität eines Objekts enthüllt sich nicht im Sichtbaren, Bewussten, sondern • durch Aufdeckung darunter liegender, unsichtbarer Schichten • ‚Realität‘ erscheint als eine unordentliche Landschaft: Felsen, zerklüftete Berge, Gestrüpp • Das sichtbare Bild der Landschaft wird von darunter liegenden unsichtbaren Schichten bestimmt, sie verursachen Unterschiede zwischen Felsen, Gestrüpp und Bergwelten Fazit: ein Typus von Realität kann auf einen anderen reduziert werden
Grundlagen der strukturalen Methode: Schlüsselbegriffe aus der Linguistik (R. Jacobson): • Sprache = holistisches System • Phonologie: Analyse phonemischer Systeme = Repertoire unterscheidender (diakritischer) Merkmale • Unterscheidende Merkmale = binär • Laut z.B. nasal/nicht nasal, lang/kurz
Strukturalistische Re-interpretation von Malinowski "Man hat wohl niemals mehr Grund gehabt, die Gleichgültigkeit dieses Autors gegenüber den Problemen der Morphologie zu beklagen. Malinowski erinnert in aller Kürze an eine hochbedeutsame Struktur, deren Analyse, wäre sie weiter voran getrieben worden, sich als außerordentlich lehrreich erwiesen hätte" (Strukturale Anthropologie I, S. 1152)
zentral : peripher Ritual-Platz = Zentrum Wohnhütten = Peripherie heilig : profan Zentrum = Ort heiliger Handlungen Peripherie = Orte profaner Handlungen roh : gekocht Speicher im inneren Kreis = rohe Nahrungsmittel Hütten im äußeren Kreis = gekochte Nahrung Räumliche Ordnung strukturiert durch binäre Oppositionen
unverheiratet : verheiratet Junggesellen im inneren Kreis verheiratete Paare am äußeren Kreis Männlich : weiblich Zentrum = männlicher Raum Peripherie = weiblicher Raum ...
Fazit Lévi-Strauss: "Wir haben also auf den Trobriand-Inseln ein komplexes System von Gegensätzen zwischen heilig und profan, roh und gekocht, Zölibat und Ehe, männlich und weiblich, zentral und peripher. Die Rolle, die der rohen und gekochten Nahrung bei den Heiratsgeschenken - die selbst nach männlich und weiblich über den ganzen Pazifik unterschieden werden - zugewiesen wird, würde notfalls die soziale Bedeutung und die geographische Verbreitung der zugrundeliegenden Auffassung bestätigen."
Aus Elementare Strukturen der Verwandtschaft (1981: 215): "... der Übergang vom Naturzustand zum Kulturzustand definiert sich durch die Fähigkeit des Menschen..., die biologischen Beziehungen in Form von Gegensätzen zu denken: Gegensatz zwischen den besitzenden Männern und den angeeigneten Frauen; Gegensatz unter diesen letzteren zwischen den Gattinnen, erworbenen Frauen, und den Schwestern und Töchtern, abgetretenen Frauen; Gegensatz zwischen zwei Arten von Bindungen, denen durch Heirat und denen durch Verwandtschaft; Gegensatz innerhalb der Abstammungsgruppen zwischen den aufeinanderfolgenden Reihen (die aus Individuen desselben Geschlechts bestehen) und den alternierenden Reihen (in denen das Geschlecht beim Übergang von einem Individuum zum nächsten wechselt); und wenn es schließlich zutrifft, daß der Tausch das unmittelbare Ergebnis dieser Gegensatzpaare ist und die Dichotomie der Cousins das Spiegelbild des Tauschs ist, dann ... wird man vielleicht einräumen müssen, daß die Dualität, die Alternanz, der Gegensatz und die Symmetrie, ... nicht so sehr Phänomene sind, die es zu erklären gilt, als vielmehr die fundamentalen und unmittelbaren Gegebenheiten der geistigen und sozialen Realität, und daß man in ihnen die Ausgangspunkte jeglichen Erklärungsversuchs zu sehen hat".
Louis Dumont (1911 – 1998) • 1936/37 Tätigkeit im Musée de l‘Homme in Abteilung Volksunde • 1938 – 1939 Studium der Ethnologie bei Marcel Mauss • 1939 Einberufung in Wehrdienst 2. Weltkrieg • In Kriegsgefangenschaft in Hamburg: Sanskrit bei Prof. Schubring in Hamburg • Nach 1945: Fortsetzung Studium • 1948 – 1950 Feldforschung in Tamil Nadu/Indien • 1951 – 1955 Lehre in Oxford, Nachfolge Srinivas • mit David Pocock Gründung der Zeitschrift Contributions to Indian Sociology • 1955 – 1998 Professor an der École des Hautes Études des Science Sociales
Ausgewählte Schriften Louis Dumont • Mit D. Pocock (1957a). 'For a sociology of India.', Contributions to Indian Sociology 1: 23-41 • (1957b). Hierarchy and Marriage Alliance in South Indian Kinship.Occasional Papers of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. • (1957c/1987). A South Indian Subcaste. Social Organization and Religion of the Pramalai Kallar. Delhi: Oxford University Press • (1971/1980). Homo Hierarchicus. The Caste system and its Implication. Chicago and London: The University of Chicago Press • (1977). From Mandeville to Marx: The genesis and triumph of economic ideology. Chicago: University of Chicago Press • (1990) Individualismus. Zur Ideologie der Moderne. Frankfurt/New York: Campus Verlag
Dumonts‘ Thesen: • Pole von Gegensätzen sind Träger unterschiedlicher Werte / Wertideen • Indien – Europa = gegensätzlich/komplementäre Ideologien / Wertideen • Indien: holistisch (Hierarchie der Kasten), Individuum untergeordneter Platz • Europa: individualistisch, holistische Formen untergeordnet
3 Eigenschaften des Kastensystems (nach C. Bouglé): 1. Trennung: in Bezug auf Heiraten und Kommensalität (gemeinsames Essen) 2. Arbeitsteilung: jede Gruppe übt theoretisch einen bestimmten Beruf aus 3. Hierarchie: der Status jede Gruppe relativ höher oder niedriger zu anderen eingestuft wird → Kaste darf nicht als einzelnes Element, sondern wie ein Phonem verstanden werden, d.h. als System von Beziehungen
Kaste wie ein Phonem: "A phoneme has only the characteristics which oppose it to other phonemes, it is not some thing but only the other of others, thanks to which it signifies something".
Ordnung stiftendes Prinzip: • Gegensätzliche Bewertung von Rein- und Unreinheit • Kaste = Status, Status als rein oder unrein bewertet • Status von Kaste X wird in Beziehung zu der Kaste mit gegensätzlichem Stratus bestimmt: • An den Extremen der Hierarchie: Brahmanen / Priester (Rein) : Unberührbare (unrein)
Kastensystem: a) empirische Sozialordnung, d.h. ein set von Kasten (jati) in einer geographisch umrissenen Region b) ideologisches System, d.h. pan-indische Institution im Sinne eines Systems von Ideen und Werten
Hierarchie • Religiöse Rangfolge, zu unterscheiden von modernem Begriff ‚Stratifikation‘ • Problem: Platz der Macht • Zentrale Frage im indischen Kastensystem (varna & jati): Beziehung zwischen Status (religiös bestimmt) und Macht (politisch bestimmt) • Indische Ideologie: Trennung von Status und Macht • In Indien: religiöser Status (Reinheit) ist politischer Macht (Unreinheit) übergeordnet
Ägypten, Sumer: König = oberster Priester Spitze der Hierarchie= Prister-König Indien: König / Priester getrennte Funktionen, Status König bedarf der Dienste des Priesters, um politische Macht auszuüben Ämter: König & Priester In Indien: “(the king) puts in front of himself a priest, the purohita, and then he looses the hierarchical preeminence in favour of the priests, retaining for himself power only."