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Einführung in die Biotechnologie

Einführung in die Biotechnologie. Biotechnologische Prozesse Substrate und deren Aufbereitung Bioreaktoren Aufbau, Design und Betrieb Kinetik Aufarbeitung Prozessbeispiele Enzymtechnologie Produktion Enzymatische Prozesse. bernd.nidetzky@tugraz.at. CHE.156 WS 2013/2014.

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  1. Einführung in die Biotechnologie • Biotechnologische Prozesse • Substrate und deren Aufbereitung • Bioreaktoren Aufbau, Design und Betrieb Kinetik • Aufarbeitung • Prozessbeispiele • Enzymtechnologie • Produktion • Enzymatische Prozesse bernd.nidetzky@tugraz.at CHE.156 WS 2013/2014

  2. Biotechnologie traditionell • Gärungen (Bier und Wein; Sauermilchprodukte und Käse; Wurstherstellung; Essig; fermentierte asiatische Produkte; Kaffee, Tee und Kakao) • Enzyme (überlegen Sie welche) Stärke und Milch • Traditionelle Mikroorganismen in der Biotechnologie (überlegen Sie welche das sind und deren Klassifikation) Hefen Schimmelpilze (Pinsel- und Gießkannenschimmel) Bakterien (Milchsäure, Buttersäure, Propionsäure, Aceton-Butanol, ...) • Forscher(A. van Leeuwenhoek 1632-1723; L. Pasteur 1822-1895; E. Buchner 1860-1917) Renneberg, R. 2006. Biotechnologie für Einsteiger, Elsevier

  3. Biotechnologie heute Pflanzen Medizin IBB Industrielle Biotechno- logie Marine Organismen Grund- und Feinchemikalien, Wirkstoffe, Polymere, ...

  4. Mikrotechnologien mit hohem Durchsatz. Chemie/Biologie im Vordergrund (z.B. Enzyment- wicklung) Prozesse im Labor- maßstab. Wechselwirkung von bio- chemischen Komponenten und Prozesstechnik (z.B. Enzym im Rührreaktor) Prozess im Pilot oder Industriemaßstab. Prozesstechnik im Vordergrund (z.B. Dimensio- nierung des Enzymreaktors) IBB

  5. Abbildung. Schematische Darstellung der Arbeitsschritte in der Bioprozessent-wicklung, vom Gen zum Produkt.

  6. Stufen der Prozessentwicklung Identifizierung eines neuen Produktkandidaten Entscheidung die Prozessentwicklung zu beginnen Parallele Entwicklung - Anlagentechnik und Maßstabsvergrösserung sowie physiologische Tests, klinische Studien, Toxizitätsüberprüfung, usw. In Phase III von klinischen Tests wird bereits Material aus der Produktionsanlage verwendet (Center for Biological Evaluation and Research, FDA). Vorteile einer effizienten Prozessentwicklung In allen Einzelheiten reproduzierbare Herstellung eines biologischen Produktes von invarianter Qualität und Charakteristik Reduktion der Anlagenkosten (durch z.B. Minimierung der Grösse des Bioreaktors) als wesentlichem Teil der gesamten Prozesskosten Reduktion der Zeitspanne zwischen Beginn der Prozessentwicklung und Markteinführung des Produktes.

  7. Abbildung. Parallele Prozessentwicklung ist ein entscheidendes Kriterium für die Implementierung von biotechnologischen Verfahren in der Industrie. Dies gilt vor allem für neue Produkte mit medizinischer Anwendung, bei denen die Markteinführung mehrere Jahre benötigt. Die prinzipielle Brauchbarkeit des Verfahrens muss in den ersten 6 bis 12 Monaten bewiesen werden.

  8. Grobes Ablaufschema eines biotechnologischen Prozesses. Die völlig biospezifische Komponente ist die Bioreaktion (“Fermentation”). Substrataufbereitung, Sterilisation, und Aufarbeitung erfordern teilweise spezielle Techniken, die für Biosysteme entwickelt und optimiert wurden. Aufschluss von mikrobiellen Zellen zur Enzymgewinnung ist ein Beispiel.

  9. Abbildung. Optimierung eines industriellen Prozesses anhand identifi-zierter kostenbestimmender Faktoren.

  10. Substrataufbereitung - Upstream processing • Reduktion der Substratkosten • Reinchemikalien für Massenprodukte zu teuer • ausgehend von erneuerbaren Rohstoffen • Kohlenhydrate (Zellulose, Stärke, Saccharose) • Proteine (aus Fisch, Sojabohnen) • Eliminierung von Inhibitoren • Schwermetalle (Mn2+; Zitronensäure) • Azetat (Hefefermentation) • Anforderungen für klinische Produkte • Viren • Proteine

  11. Viele “klassische” Produkte der Biotechnologie werden im Multihunderttonnen Maßstab jährlich hergestellt, haben aber einen Preis von unter 1 Euro pro Kilogramm. Der Optimierung jedes einzelnen Prozess-schrittes kommt daher Bedeutung zu. Die Substratwahl ist davon eine wesentliche Komponente.

  12. Unter anaeroben Prozess-bedingungen kommen den Bilanzen an Redoxkofak-toren sowie für ATP besondere Bedeutung zu. Überlegen Sie warum das so ist. Ein technisches Problem ist die Bildung von Glyzerin während der Ethanolher-stellung. Woher kommt das Glyzerin und warum wird es gebildet? Abbildung: Hefebiomasse und Ethanol gehörten zu den ersten biotechnolo-gischen Produkten und sind auch noch heute mengenmäßig enorm wichtig. Prozessverbesserungen inkludieren vor allem die Verbesserung der mikrobiellen Stoffwechselleistungen und das Upstream Processing.

  13. Stärke • Lineares und verzweigtes Homopolysaccharid, aufgebaut aus einer Hauptkette mit a1,4-glykosidisch verknüpften Glukoseeinheiten • Verzweigungen in a1,6-Positionen • Polymerisationsgrad und Verzweigungsgrad abhängig vom Rohstoff • Depolymerisation (Hydrolyse) für mikrobielle Verwertung nötig • Säurehydrolyse führt zu Nebenprodukten • Lignocellulose • Saccharose

  14. Der Abbau von Stärke ist das Beispiel für den Einsatz von Enzymen im großtechnischen Maßstab und wird unter anderem für das Upstream Processing eines natürlichen Rohstoffs verwendet. • Die Verflüssigung von Stärke findet mit extrem thermostabilen Enzymen (a-Amylasen) bei etwa 80°C statt. Die Hauptkette wird gespalten und kürzere, besser lösliche Einheiten enstehen. • DE entspricht der Anzahl an reduzierenden Enden, gewichtet an 100% Glukose. • Weitere Enzyme spalten mit unterschiedlichen Spezifitäten (a1,6; a1,4 - Maltose oder Glukose-spaltend; Glukoseisomerisierung; Dextrinsyn-these).

  15. Abbildung: Einige Enzyme, die zur vollständigen Hydrolyse von Stärke (Amylopektin) benötigt werden. Die Quelle für diese und andere Amylasen sind Bakterien und Pilze.

  16. Vor- und Nachteile des Enzymeinsatzes • Selektivität (Chemo, Regio, Stereo) • Günstiger pH (2 - 12) und T-Bereich (10 - 110 °C) • Keine oder wenig Nebenprodukte • Nicht toxisch und leicht abbaubar • Durch Immobilisierung wiederverwendbar • Herstellung in unlimitierenden Mengen durch mikrobielle Produktion möglich • Feinabstimmung der Eigenschaften möglich • geringe(re) Stabilität und Bedarf an Kofaktoren (Metalle) • manchmal teuer (vor allem wegen Aufarbeitung) Beispiel: Isomerisierung der D-Glukose in D-Fruktose

  17. Wirtschaftliche Gesichtspunkte des Enzymeinsatzes • Kostenreduktion • Erhöhung der Ausbeute und verbesserte Rohstoffnutzung • Verminderung der Kosten für die Aufarbeitung (z.B. Filtration in der Herstellung von Fruchtsäften) • Qualitätsverbesserung • Veränderte technische Eigenschaften von Proteinen und Fetten; verbesserter Geschmack von Käse • Verminderte Umweltbelastung • Lösungsmittelbedarf in der Penicillinherstellung • Molkeverwertung (Laktoseabbau)

  18. Im Gegensatz zur Stärkeverzuckerung, die in Rührtankreaktoren mit löslichen Enzymen durchgeführt wird, erfolgt die Glukoseisomerisie-rung in Reaktoren mit gebunde-nem (immobilisiertem) Enzym (Festbettreaktoren). Die Bindung der Glukose-Isomerase, als freies Enzym oder innerhalb mikrobieller Zellen, erfolgt über adsorptive Kräfte an Ionentauscher oder Silika mit oder ohne Querver-netzung. Abbildung: Enzymatischer Prozess zur Herstellung von Fruktose-reichem Sirup (42 % D-Fruktose), welcher hauptsächlich zur Süßung von Getränken eingesetzt wird.

  19. Der Bioreaktor • Rührkesselreaktor (10 mL bis 100 m3 Arbeitsvolumen) • Reaktorgeometrie (H/D ≈ 1 - 3) • andere Designs: Säulenreaktoren ohne mechanisches Rührwerk (H/D > 3) • Rührergeometrie (d/D ≈ 0.3 bis 0.5) • Rührerbauweise und Leistungseintrag des Rühres (Pg ≈ d5) hängen stark voneinander ab. • Turbulenz (Reynolds Zahl; Re = Nid2r/m, laminar für Rei < 10; turbulent für Re > 104) hängt vom Leistungseintrag ab. Erhöhte Turbulenz verbessert das Mischverhalten im Bioreaktor. RührerdrehzahlNi [1/s]; Rührerdurchmesser d [m]; Fluiddichte [kg/m3]; Fluidviskosität [kg/(m s)]

  20. Schematischer Aufbau eines Rührkesselbioreaktors • Tank aus rostfreiem Stahl • 1 oder mehrere Rührer montiert am Rührerschaft • Montage des Rührers erfolgt von unten oder oben (Dichtung und Sterilität !!) • Leistungseintrag direkt von der Anzahl der Rührer abhängig. • Sterile Belüftungsvorrichtung (Zu- und Abluft) • Temperaturkontrolle und Kühlungsvorrichtung (Leistungseintrag; mikrobielles Wachstum) • Sterile Inokulierung sowie Probenahme • Mess- und Regeltechnik

  21. The power input (Pg) in an aerated stirred vessel influences: • the oxygen transfer rate by affecting the transfer coefficient kLa, and • the quality of mixing, avoiding dead zones (where mixing is poor) and local concentration gradients. • It is dependent on: • stirrer speed Ni (to the power of 3) • stirrer diameter d (to the power of 5) • the fluid density r, and • the power number of the stirrer (which in turn depends on fluid turbu-lence given by the Reynold’s number). • The value of kLa is influenced further by the (superficial; volumetric) gas flow rate (Fg) and the medium viscosity (t).

  22. Abbildung: Schematischer Darstellung einiger Rührertypen. Die Auswahl stellt immer einen Kompromiss zwischen Leistungseintrag (hoch), Aufbringen von Scherkräften (niedrig) sowie Kompatibilität mit viskosen Medien dar. Der Blattrührer (Rushton impeller) ist am breitesten einsetzbar. Biotechnologische Medien sind teilweise hoch viskos, einerseits auf Grund der gebildeten Biomasse oder wegen polymerer extrazellulärer Produkte.

  23. Abbildung. Darstellung der Bauweise (a) und des Strömungsverhaltens (b) in Reaktoren mit axialem (links) und radialem (rechts) Rührer. Abbildung. Strombrecher im Reaktor sorgen für erhöhte Turbulenz und damit verbesserte Mischung des Reaktorvolumens.

  24. Weitere Rührertypen Abbildung. Zusammenstellung weiterer gebräuchlicher Rührertypen, klassifiziert nach „axial“ und „radial“ sowie dem Einsatzbereich in Bezug auf die Zähigkeit der zu mischenden Flüssigkeit. , Viskosität in Pa s.

  25. Scherkräfte • Scherrate im gerührten Tank (“Integrated Shear Factor” ISF) • ISF = 2 pNd / (D - d) wobei N die Drehzahl des Rührers ist, d ist der Rührerdurchmesser und D ist der Durchmesser des Reaktors • Labordaten zeigen, dass z.B. tierische Zellen bei ISF Werten über 20 s-1 kaum mehr wachsen. • Hohe Scherraten können für die Grenzflächen Flüssig-Fest erwartet werden. Es ist daher manchmal nötig, dass zwischen mittlerer Scherrate und maximaler Scherrate unterschieden wird. • In Blasensäulen wird die Scherrate durch die Geschwindigkeit (ms-1) der Gasblasen determiniert. Weiter Schereffekte werden durch Koaleszenz erzeugt. • Inaktivierung von Zellen und pilzlichen Mycelen (siehe Abb.) durch Scherkräfte fließt in das Design des Bioreaktors mit ein. Abbildung: Das Wachstum von filamentösen Organis-men unterscheidet sich stark vom Wachstum von Bakterien oder Hefen. Sie zeigen apikale Verlängerung und Verzweigung der Hyphen, gefolgt von Pelletbildung. Prozessfaktoren beeinflussen dieses Wachstum und auch die Produktbildung.

  26. Übersicht über Begasungsmöglichkeiten in Bioreaktoren (1) • Oberflächenbegasung ist nur für Sonderfälle geeignet, da der erreichbare kLa Wertzu klein ist. • Begasung über dichte oder poröse Membranen, die für Gas aber nicht für Flüssigkeiten permeabel sind, haben den Vorteil der blasenfreien und damit schonenden Sauerstoff-versorgung. Sie kann in situ oder ex situ durchgeführt werden. Tierische Zellen sind oft sensitiv gegen die Scherkräfte, die durch die Koaleszenz von Gasblasen entste-hen. • Indirekte Begasung kann im Falle von mammalischen Zellkulturen ebenfalls von Vorteil sein.

  27. Weitere Bioreaktortypen Blasensäule Zylindrischer Aufbau, Verhältnis von Höhe zu Breite etwa 3 bis 6 Es gibt keine mechanische Durchmischung - die Mischung erfolgt über die mit den Gasblasen aufsteigende Flüssigkeit Begasung über Vorrichtung am Boden (Sinterplatte, Düse, o.ä.) Vorteile sind die relativ geringen Anlagenkosten, das Fehlen beweglicher Teile, und die geringe Schaumbildung Abbildung. Schematische Darstellungen eines Blasensäulereaktors (linkes Bild) und der Durchmischung in diesem Reaktor unter heterogenen Flussbedingungen (siehe nächste Seite).

  28. Abbildung. Typische Konfigurationen von Airliftreaktoren. Die Separation in Steig- und Fallrohr verbessert die Mischeigenschaften im Vergleich zur Blasensäule.

  29. Vergleichende Diskussion der Reaktortypen Mischungseffizienz und Massentransport sind in allen drei Typen (STR, Blasensäule, Airlift) im Industriemaßstab ähnlich. Der maximale Massentransport ist im STR am höchsten, weil der Leistungseintrag über den Rührer am stärksten ist. Im Falle der BS und des AL bricht der Massentransport bei Viskositäten über 0.1 N s m-2 zusammen. Mechanischer Probleme können im STR im Zusammenhang mit dem Rührermotor auftreten. Daher gilt als Faustregel: BS und AL sind für Bioreaktionen mit myzelbildenden Pilzen und in der Herstellung von mikrobiellen Polysacchariden ungeeignet. Flexibilität hinsichtlich Viskosität und Massentransport wird vor allem durch den STR geliefert. Die BS ist der billigste Reaktor und wird für Reaktionen im Bereich niedriger Viskositäten und in Volumina von 50 bis 500 m3 verwendet. Für Volumina von 200 bis 10 000 m3 wird der AL eingesetzt, vor allem weil die Möglichkeit lokaler Zugabe von Substrat besteht. Der STR ist in diesem Maßstab ungeeignet, da die Rührerleistung bis zu 1 MeW ansteigen kann. Bioreaktionen in viskose Medien werden nicht im Maßstab > 500 m3 betrieben.

  30. Steriltechnik und Sterilisation • Dichtungen für den Rührerschaft (mit Sattdampf sterilisierbare Gleitringdichtungen) • Filtration (adsorptive Tiefenfilter; Absolutfilter mit molekulare Ausschlussgröße; 0.1 µm) • Sterile Zudosierung und Probennahme • Sterilisation des Bioreaktors • Sattdampf statt trockener Hitze • Abtötungseffekt als Funktion der Inkubationszeit und der Temperatur

  31. Sterilisation mit Sattdampf • Aufheizen des flüssigen Mediums auf Sterilisationstemperatur (etwa 120°C) • Direkte Injektion von Sattdampf ins Medium • Verdünnung (10-20%) • Qualität des Dampfes (Kontamination durch Metallionen oder organische Substanzen) • Indirekter Wärmetransfer über Kühlsystem des Reaktors • Sterilisation erfolgt in drei Phasen, die in einem Temperatur-Zeit-Profil dargestellt werden: Aufheizen, Haltezeit (thd) bei 120 °C, Abkühlen. • Die Sterilisationführt zur Reduktion der Anzahl der lebenden Zellen vor der Inaktivierung (N0). • Unter der Annahme, dass die Zellen nur während thd inaktiviert werden, ergibt sich die Frage, wie lange thd sein soll.

  32. Abbildung: Verschiedene konstruktionstechnische Lösungen, um Wärmetransfer in Bioreaktoren effektiv zu bewerkstelligen. Links: Ummantelung; Mitte: Kühlschlangen; Rechts: Kühlschlangen, die auch als Prellwände fungieren.

  33. Abbildung: Zeit-Temperatur-Profil für eine typische Dampfsterilisation (a) und Abtötung der lebenden Zellen im Bioreaktor als Funktion der Zeit (b). • Die Inaktivierung der Zellen kann häufig als Reaktion 1.Ordnung beschrieben werden. Das heißt, die Abnahme von N über die Zeit erfolgt exponenziell. • In der thd gilt: • ln (N1/N2) = kd thd • kd ist eine Inaktivierungskonstante (h-1), die Organismen spezifisch ist und von der Temperatur abhängt. • kd = A exp (-Ed/RT) • wobei A ein Arrhenius Faktor, Ed die Aktivierungsenergie für den Zelltod, R die Gaskonstante und T die Temperatur in K ist. • thd = ln (N1/N2) / kd N1 ≥ 103; N2 ≤ 10-3

  34. Vermeidung von Nebenreaktion (z.B. “Bräunung”) (Abb. 5.8) • Kenntnis der Kinetik der Inaktivierung von hitzeresistenten Organismen bzw. Sporen (z.B. Bacillus sp.). (Abb. 11E9.1) • In Suspensionen, wenn z.B. das Substrat unlöslich ist, hängt Wärmetransfer stark von der Partikelgröße ab ( 1µm - 1µs; 1cm -100 s). • N ist direkt vom Maßstab abhängig. Sterilisation von größeren Reaktoren schwieriger (thd länger; Energiekosten bedeutend).

  35. Bioprozesskinetik Abbildung: Charakterisierung des mikrobiellen Wachstums anhand einer Darstellung des Zeitverlaufs (oben) sowie der spezifischen Wachstumsraten in den einzelnen Phasen (unten). Wie lässt sich das mikrobielle Wachstum und damit verbunden, Substratverbrauch und Produktbildung formalkinetisch beschreiben? Was sind typische Werte für die maximale Wachstumsrate von Hefen und Bakterien, und in welchem Größenordnungsbereich liegen die Monod Konstanten? Wie lässt sich aus dem Wert der Wachstumsrate die Verdopplungszeit eines Organismus berechnen? Wie lässt sich die Zeitdauer des Batches berechnen, wenn Sie die Anfangs- und Endkonzentration an Biomasse vorgeben?

  36. Voraussetzungen für experimentelle Studien zur Kinetik als physiologischer Eigenschaft von Mikroorganismen • Identifizierung relevanter Zustandsvariablen aus den Kulturparametern • Vereinfachung • Eliminierung von physikalischen Effekten (Massentransport) Abbildung: Wechselwirkungen und mögliche Beeinflussungen zwischen dem biotechnologischen Produktionsystem (Zellpopulation) und der prozesstechnischen Umgebung (Medium, Bioreaktor). Eine typische Frage betrifft die Konzentration des limitierenden Substrates (C-Quelle, O2, etc.)

  37. Eliminierung von Massentransporteffekten Abbildung: Darstellung von drei Rührtankbioreaktoren zur Erklärung der Begriffe „Transportlimitierung“ und „Pseudohomogenität“. Fall einer homogenen Lösung ohne Grenzflächen (z.B. flüssig/fest oder gasförmig/flüssig); Stofftransport (rTR) erfolgt in der Regel durch molekulare Diffusion und ist zumeist viel schneller als chemische Reaktionen (rRk). Zur Ermittlung kinetischer Gesetzmäßigkeiten muss gelten, dass rRk ≤ 0,1 rTR. Ein mögliches Beispiel wären Transformationen mit löslichen Enzymen. Pseudohomogener Fall, in dem zwar reale Grenzflächen vorliegen (OTR, Sauerstofftransport von der Gas- in die Flüssigphase; Versorgung von suspendierten mikrobiellen Flocken mit Substrat), jedoch das Kriterium rRk ≤ 0,1 rTR nach wie vor erfüllt wird. Fall eines heterogenen Systems, wobei rRk ≥ 0,1 rTR.

  38. Abbildung. Eliminierung von Massentransporteffekten (2) - Mischzeitkonzept für Rührkesselrektoren. Experiment zur Charakterisierung des Mischverhaltens in einem Bioreaktor. Ein Marker (Salzlösung, Farbstoff, ...) wird in den Reaktor injiziert und die Misschung über Leitfähigkeit oder spektrophotometrische Detektion on-line mit einer Elektrode gemessen. Das Bild zeigt einen typischen Verlauf, aus dem die Zirkulationszeit (tc) und die Mischzeit (tm) ermittelt werden. tm wird durch die definierte Mischgüte (z.B. 90% wie im Bild) festgelegt. tc ist eine Funktion des Macromixing und wird durch stärkeres Rühren erniedrigt. Beachten Sie: tm ≤ 0,1 tRk.Ein idealer Rührkessel ist vollständig (Mischgüte: 100%) und unendlich schnell vermischt.

  39. Grundbegriffe der Monod Kinetik • Biologisches Wachstum in einer autokatalytischen Reaktion • rX = dx/dt = µ x • mit x der Konzentration an Zellen (g/L), X der Masse an Zellen (g), rX der Wachstumsgeschwindigkeit (g/(L h)) sowie einem Proportionalitätsfaktor µ (1/h), der als spezifische Wachstumsrate bezeichnet wird. • µ = rX/x • Für die Situation von nur einem limitierenden Substrat formulierte Monod: • µ = µmaxs/(Ks + s) • mit µmaxder maximalen spezifische Wachstumsrate (1/h), s der Substratkonzen-tration (g/L) sowie Ks der Sättigungskonstante für s. • Den Ertragskoeffizienten YXS kann man formulieren als: • YXS =rX/rS (oder vereinfacht: = x/s) • Typische Werte für µmax sind mit Glucose als C-Quelle (Saccharomyces: 0.47 1/h; E. coli: 2 1/h); für Ks von Glucose (Saccharomyces: 25 mg/L; E. coli: 4 mg/L; Aspergillus: 5 mg/L) und O2 (etwa 0,05 mg/L)

  40. Abbildung: Vergleich von zwei Monod-Kinetiken mit unterschiedlichem Ks Wert (relativ niedrig: oben; relativ hoch: unten). Bezüglich der Substratkonzentration s wird unter sättigenden Bedingungen (s ≈ 10 Ks) eine Reaktion nullter Ordnung erreicht. rx = dx/dt = (µmaxx)s0 wobei: s0 = 1 Liegt s deutlich unter Ks, werden Bedingungen einer Reaktion erster Ordnung erreicht. rx = dx/dt = (µmaxx/Ks)s1wobei:s1 = s • Überlegungen zum Satzverfahren (Batch) • Reaktor wird befüllt und inokuliert. Danach ändern sich mit fortschreitendem Wachs-tum die Konzentrationen (Ci) aller Nährstoffe, der Zellen und der Produkte mit der Zeit. • Aus der Massenilanz:(VCi)/t ≈ d(VCi)/dt = Vri

  41. Überlegungen zum Satzverfahren (Batch) (2) • Aus der Konzentrationsbilanz:Ci/t ≈ dCi/dt = ri • Unter Verwendung der Monod-Kinetik: • Biomasse: rX = dx/dt = µ x = µmax xs/(Ks + s) • Substrat: rs = ds/dt = qs x =  (µ/YXS) x = - x[µmax s/(Ks + s)]/YXS • Oft gilt, da Ks einen kleinen Wert hat, dass s/(Ks + s) ≈ 1. • Das heißt in weiterer Folge: rX = dx/dt ≈ µmax x. • Nach Variablenseparation und Integration erhält man: • ln(x) - ln(x0) = ln (x/x0) = µmax (t - t0), oder • x = x0 e µmax (t - t0) • mit t der Zeit und dem Index 0 für t = 0. • Wachstum (und Substratverbrauch) erfolgen exponenziell. Wenn s ≈ Ks stimmt die Näherung von s/(Ks + s) ≈ 1 nicht mehr. Es folgt ein Übergang von exponenzieller Phase in eine Verzögerungsphase. • Minimale Verdopplungszeit td: 2x0 = x0 e µmax (td - 0) woraus folgt: td = ln(2)/µmax • Minimale Dauer des Batches tB = [ln(x0 + x)- ln(x0)]/µmax

  42. Überlegungen zum Satzverfahren (Batch) (3) • Minimale Dauer des Batches tB = [ln(x0 + x)- ln(x0)]/µmax • Mit der Annahme, dass x0 sehr viel kleiner als x ist, und mit x = s0YXS erhält man: • tB = [ln(s0YXS)- ln(x0)]/µmax • Sauerstoff kann als limitierendes Substrat auftreten Sauerstoff ist in wässrigen Medien nur schlecht löslich. Wie kann der Mikroorganismus totzdem ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, um das Wachstum optimal zu unterstützen? Begasung mit Luft oder reinem Sauerstoff ist nötig. YXO2 = rX / rO2

  43. Sauerstofftransportrate OTR = kLa (O2* - O2) • kL ist der Massentransportkoeffizient der Flüssigphase (ms-1); a ist die Gas-Flüssig Austauschfläche pro Volumseinheit (m2 m-3); O2* ist die Gleichgewichtskonzentration von Sauerstoff, und O2 ist die aktuelle Konzentration. • OTR kann verbessert werden durch: • Erhöhung von O2* (Reinsauerstoff statt Luft; Druckerhöhung) • Erhöhung des kLa Wertes (Bioreaktortechnologie; 0.02 - 0.2 s-1) • Größe und Verweilzeit der Gasblasen (Art der Begasungseinheit; Rührer und Rührspitzengeschwindigkeit) • Leistungseintrag (Art und Geometrie des Rührers; Rührerdrehzahl bzw. Rührspitzengeschwindigkeit) • Turbulenz (Rührer; Strombrecher) • Begasungsrate

  44. Wechselwirkung zwischen biologischen und prozesstechnischen Faktoren • Einflussfaktoren • des Mediums • pH, T, mehr als 1 limitierendes Substrat, chemische Reaktionen, rheologische Eigen-schaften, Grenzflächen, Inhomogenitäten) • der Zellen • Operative Rahmenbe-dingungen für den Betrieb eines Bioreak-tors

  45. Mess- und Regeltechnik in Bioreaktoren Abbildung. Messparameter in Bioreaktoren. Kontrolliert werden zumeist physikalische und chemische Parameter. Biologische Parameter wie die Biomassekonzentration lassen sich im Regelfall nur indirekt kontrollieren, wofür eine quantitative Korrelation zwischen physikalischen / chemischen Parametern und der biologischen Größe hergestellt werden muss. Es kann sich dabei um ein mathematisches Modell handeln (z.B. Monod Kinetik) oder empirische Korrelationen.

  46. Aufarbeitung • Sedimentation, Flockulierung, Flotation oder Zentrifugation von Zellen (Abb. A1) • Filtration von Zellen oder Enzymen (Abb. A2) • Mechanischer Zellaufschluss (Abb. A3) • Weitere Reinigungsverfahren (bis zu 90% der Produktionskosten) • hochentwickelte Methoden auf Basis von biologischer Affinität verfügbar • Kosten meist prohibitiv (klassische Chromatographie) • Kontinuierliche Aufarbeitung im Prozessmaßstab (Abb. A4)

  47. Zentrifugenbauarten • Röhren (links) • Teller (mitte) • Mehrkammer (rechts) Abbildung A1: Darstellung von 3 technologisch genutzten Typen von Zentrifugen. Ein künstlich verstärktes Schwerefeld (≥ 5000 x g) ist bei vielen Zellen nötig, um brauchbare Absetzgeschwindigkeiten (im Vergleich zur Sedimentation) zu erzielen. Im Idealfall wird ein pastöses Produkt erzeugt. Wesentlich ist neben der Dichte der Zellen, deren Radius (bei Annahme von Kugelform).

  48. Flockulation • Bildung von Zellaggregaten durch Zusatz von Flockulationsmitteln (geladene Polymere wie Polyethylenimin oder Acrylamid / Acrylat, mehrwertige Kationen, quarternäre Ammoniumverbindungen, ...) • Neutralisation der negativ geladenen Gruppen an der Zelloberfläche von Mikroorganismen • Gute Sedimentation der Flocken ist wichtig • Flotation • Anhaftung der Zellen an Gasblasen • Zugabe von Oberflächen aktiven Substanzen (“Schäumer”) wie kurzkettige Polyethylenglykole oder langkettige Alkohole

  49. Filtration von Zellen • Abtrennung von festen Teilchen mit einem Filterhilfsmittel • Kuchen- oder Oberflächenfiltration • Sieb- oder Membranfiltration (Größenausschluss) • Tiefen- oder Bettfiltration (adsorptive Wechselwirkungen) • Oberflächenfiltration • Träger, der von Filtertuch bedeckt ist • Während der Filtration bildet sich der Filterkuchen allmählich, und der Flusswiderstand steigt damit stetig. • Bleibt der angelegte Druck konstant, sinkt die Durchflussrate. • Zellen stellen einen kompressiblen Filterkuchen dar, und es muss ein Kompromiss zwischen Durchlässigkeit (geringer Druck) und Kuchenentwässerung gefunden werden (hoher Druck).

  50. Zellaufschluss • Chemische Methoden (Alkalibehandlung; Detergenzien wie SDS oder Cetyl (C16) Trimethylammoniumbromid; Enzyme wie Lysozym; Lyse durch Phagen oder Antibiotika wie Penicillin oder CephalosporinC) • Osmotischer Schock (Einfrieren, Auftauen) und Trocknung (Gefrier-, Sprüh-, Lösungsmittel) • Mechanische Verfahren • Scherkräfte in Lösung (Ultraschall, Rotor-Stator-Mischer - mechanische Rührung; Hochdruckhomogenisator - Druck; 1000 - 2000 bar) • Scherkräfte in Festsubstanz (Kugelmühle - Vermahlen; Mörser und Pistill - Vermahlen; X-Press - Druck) • Für größeren Maßstab sind der Hochdruckhomogenisator und die Kugelmühle gut geeignet. • Kombinationen der Aufschlussmethoden sind möglich und sinnvoll.

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