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Vorlesung. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland Teil III: Die intermediären Institutionedn. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland: ‚Wanderkarte‘ entlang GG. Länder und Bund Bundesinstitutionen Bundesrat Bundestag Bundesregierung Bundespräsident

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  1. Vorlesung Das politische System der Bundesrepublik Deutschland Teil III: Die intermediären Institutionedn TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  2. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland: ‚Wanderkarte‘ entlang GG • Länder und Bund • Bundesinstitutionen • Bundesrat • Bundestag • Bundesregierung • Bundespräsident • Rechtswesen und Bundesverfassungsgericht • Kommunen • intermediäres System • Interessengruppen • Parteien • Medien • Deutschlands Einordnung in supranationale Regierungsstrukturen Ein wie gut oder wie schlecht konstruiertes politisches System ist das nun? TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  3. Massenmedien Art. 5 (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  4. weitere rechtliche Bestimmungen zu den Medien • Auskunftspflicht der Behörden gegenüber publizistischen Organen • Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten, die ihre Informanten auch vor Gericht nicht nennen müssen • Unzulässigkeit wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen gegen Presseunternehmen • gilt nur oberhalb der Schwelle politischer Boykottaufrufe, die nichtvon wirtschaftlichen oder gewalttätigen Pressionen begleitet sind) • Binnenpluralität (‚inhaltliche Ausgewogenheit‘) im Rundfunk: • Herkunft: Rundfunkurteile des BVerfG von 1961 und 1971 zu den – früher monopolartigen – öffentlich-rechtlichen Medien • Folge: Parteien- und Gruppenproporz in den Rundfunkgremien; parteipolitisches ‚Austarieren‘ journalistischer Spitzenpositionen • seit BVerfG-Urteil von 1981 auch für private Sender verlangt: Progammangebot entsprechend der bestehenden Meinungsvielfalt, Mindestmaß inhaltlicher Ausgewogenheit verlangt • allerdings mit reduzierten Pluralitätsforderungen im Vergleich zu den für die ‚Grundversorgung‘ zuständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt ‚Außenpluralismus‘ bei den Printmedien

  5. (politische) Funktionen von Massenmedien zentrale politische Rolle geradein einer Demokratie ! • Information über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur • Hilfestellung für persönliche Meinungs- und Urteilsbildung • Kontrolle politischer Akteure • Unterhaltung (‚Infotainment‘) Über die Wirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt erfährt man etwas nur über die Medien oder vom Hörensagen ! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  6. politisch folgenreichste Medien • für jedermann: • Hörfunknachrichten(Reichweite: 73% der Deutschen) • Fernsehnachrichten(Reichweite: 62% der Deutschen) • Lokalzeitung / sonstige Tageszeitung(Reichweite: 54% der Deutschen) • zusätzlich für politisch Aktiveund für politische Meinungsführer: • politische Qualitätspresse (FAZ, SZ, FR, WELT, ZEIT ...) • politische Wochenmagazine (SPIEGEL, FOCUS, STERN) • politische Fernsehmagazine Weiterwirkung des Informations-verhaltens und der Informations-quellen von Meinungsführern im zweistufigen politischen Kommunikationsprozeß TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  7. Mediennutzung der Bürger • hochgradig selektiv: • meist nur eine einzige Zeitung(in der Regel: die Lokalzeitung) • hauptsächliche allgemeine politische Informationaus Hörfunk- und Fernsehnachrichten • überwiegend so, daß vor allem der eigenen Meinung Entsprechendes zur Kenntnis und ernstgenommen wird • akzeptiert und behalten werden eher Bilder als Argumente und Fakten (‚Traue nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast!‘) reale Pluralität der Medien kommt beim Großteil der Bürger nicht an deren Konstruktionsmerkmale prägen das Bild von der Politik – und die eigene Reaktion darauf ! Darstellungsdifferenziertheit der Qualitätsmedien kommt beim Großteil der Bürger nicht an TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  8. medienspezifische Darstellungszwänge Massenmedien ‚desinformieren‘ auch ohne Absicht und aus guten Gründen! • Platzmangel in Printmedien, Zeitmangel in Fernsehen und Hörfunk • Komplexes wird fragmentarisch dargestellt und bleibt darum in seiner Gesamtstruktur unverstanden • Trivialisierung des verläßlich Mitgeteilten und Verstandenen • unterschiedliche Darstellungschancen selbst gleichermaßen des Berichtenswerten • gute Chancen: Skandalisierbares, Dramatisierbares,Personalisierbares, Visualisierbares • schlechte Chancen: Strukturelles, langfristig Wirkendes,nur anhand systematisch-abstrakter Begriffe angemessen Beschreibbares; darunter auch: Sachpolitik • Sonderproblem dessen im Fernsehen: Bild/Ton-Schere • adressatenorientierte Darstellungsgrenzen bei nötiger Zielgruppenbindung reale Wichtigkeit der Kenntnisnahme meist genau anders herum! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  9. Gefahr: Entkoppelungvon Medienwirklichkeitund Operationswirklichkeit Selbstbezüglichkeit von Massenmedien Politiker richten sich genau darauf ein: ‚aufschaukelnde‘ Rückkopplung • nur wenige Medien unterhalten ausgedehnte Korrespondentennetze, was sie überwiegend abhängig macht von einer recht kleinen Gruppe von Nachrichtenagenturen und Bilder- bzw. Filmdiensten • Journalisten sind oft nicht weniger unsicher als ihr Publikum in ihren Prioritätensetzungen und Bewertungen, was dazu führt, daß sie sich überaus stark orientieren ... • an der ‚herrschenden Meinung‘ unter Journalisten • an (nationalen) Leitmedien (etwa: SPIEGEL, BILD). • wirtschaftlicher Wettbewerb der Medien führt dazu, daß sich immer wieder die meisten Redaktionen und Journalisten denselben Themen widmen, um nicht der Konkurrenz ein wirkungsvolles Thema zu überlassen (‚Rudeljournalismus‘) Bevölkerung sieht die (politische) Welt durch die (politische) Brille der Meinungsführer unter den Journalisten TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  10. Nötig:‚Dekodierungskompetenz‘(durch Medienpädagogik) typische Verzerrungsquellen der Medienwirklichkeit • Nachrichtenwerte • Vorrang des Außer-gewöhnlichen • Negativismus • Neophilie • Eigendynamik von Themenkarrieren • Agenda setting und Agenda cutting (verschärft durch anwaltschaftlichen Journalismus) • Linksverschiebung des politischenEinstellungsspektrums vonJournalisten im Vergleich mit demBevölkerungsdurchschnitt • medienspezifischeDarstellungszwänge ins Negative und sich rasch Wandelnde verzerrtes Bild der Operationswirklichkeit Thema verschwindet – Problem bleibt Problem gelöst – niemand erfährt‘s Thema wird entwunden - wem zum Vorteil? Thema wird aufgedrängt – zu Lasten eines anderen Themas ungleiche Ausgangslage im Kampf um die diskursive Hegemonie bei den Meinungsführern Risse zwischen öffentlicherund privater Kommunikation TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt folgenreich für die Wahrnehmungvon Politik und die Reaktion auf sie !

  11. Negativismus: Bewertung von Regierungsmitgliedern TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt MedienTenor 122 / 2002, S. 14

  12. Negativismus:Bewertung von Parteien 2002/I MedienTenor 122 / 2002, S. 40f TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  13. Negativismus: Bewertung der wirtschaftlichen Lage 1995-1997 MedienTenor 70 / 1998, S. 13 TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  14. Negativismus:Medien im Vergleich ‚Jedermanns-Medien‘ ‚Eliten-Medien‘ Frage: Wenn sich Entscheidungsträger und Elitenangehörige über Deutschland und seine Lage weniger erregen als das ‚gesunde Volksempfinden‘ – worauf mag das unter anderem rückführbar sein? MedienTenor 104 / 2001, S. 23 TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  15. Selbsteinschätzung im politische Links - Rechts - Spektrum Vergleich: Bevölkerung und Journalisten in Deutschland Prozent 50 Bevölkerung* 40 37,3 Journalisten** 33,5 30 24,7 21,1 20 16,1 13 11,7 10,7 8,7 10 6,5 4,4 3,9 2,2 1,3 1 1 0,6 0,3 0 1 2 3 4 5 6 7 0* 25* 50* 75* 100* * Einstufung gemessen auf einer 100er - Skala: 0: links; 50: mitte; 100: rechts ** Einstufung gemessen auf einer 7er Skala: 1: links; 4: Mitte; 7: rechts Quelle: ** Internationale Journalistenumfrage 1991 * Allensbacher Archiv, IfD Untersuchung 5076 1993 SELFDTL.PRS ‚Linksverschiebung‘ der deutschen Journalisten mittlere ‚Linksverschiebung ‘ der Massenmedien völlig einflußlos auf die politischen Ansichten und auf die politische Selbstverortung der Deutschen? TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  16. Parteipräferenzen der deutschen Journalisten Es ist unwahrscheinlich, daß dies bei gemäß ihren Überzeugungen berichtenden und kommentierenden Journalisten ganz ohne Folgen bleibt! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  17. Nah- und Fernbild I: innerhalb und außerhalb der Lebenswelt allgemeine wirtschaftliche Lage = Summe der persönlichen wirtschaftlichen Lagen !! zur persönlichen wirtschaftlichen Lage Wie erklärt sich der Widerspruch? Lebenswelt = Information aus eigener Erfahrung zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage Operationswirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt = Information aus Massenmedien Massenmedien: geprägt durch ‚Negativismus‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  18. Nah- und Fernbild II: innerhalb und außerhalb der Lebenswelt allgemeine wirtschaftliche Lage = Summe der persönlichen wirtschaftlichen Lagen !! zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage Wie erklärt sich der Widerspruch? Lebenswelt = Information aus eigener Erfahrung Operationswirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt = Information aus Massenmedien zur persönlichen wirtschaftlichen Lage Massenmedien: geprägt durch ‚Negativismus‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  19. Worin besteht die politische Macht von Massenmedien? • sind (Mit-) Konstrukteure von politischer Wahrnehmungs- und Redewirklichkeit • formenöffentliche Meinung – und zwarweitgehend ‚hinter dem Rücken‘ der Öffentlichkeit • Mediennutzung, Medienkompetenz • ändern ‚normale‘ politische Prozesse allein schondurch ihre Existenz • durch ‚Medialisierung‘ (auch: ‚Mediatisierung‘) derPolitik entsteht Pseudo-Politik • graduelle Abkoppelung des wechselbezüglichenMedien- und Politiksystem von realen Problemlagen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  20. Effekte der Formung öffentlicher Meinung durch Massenmedien • Prägung der Wahrnehmung dessen, • was ein Problem ist (‚Themenkarriere‘) • was wie zu bewerten wäre • was andere denken (‚sozialoptische Täuschungen‘) • wirklichkeitskonstruktiver Anschlußmechanismus: Schweigespirale / Redespirale • Negativismus bei der Wahrnehmung von Wirklichkeit außerhalb der eigenen Lebenswelt (= negativeres Fernbild, positiveresNahbild) • d.h.: von jenem Teil Operationswirklichkeit, für dessen Ausgestaltung die Verantwortung nicht bei einem selbst, sondern bei ‚den Politikern‘ liegt! Folgen: Politik- und Politikerverdrossenheit, abnehmendes Systemvertrauen, Entlegitimierung TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  21. Medialisierung / Mediatisierung = politische Klasse paßt sich den neuen Rahmenbedingungen an, welche das Mediensystems setzt, zumal in demokratischen Systemen - • Differenzierung nach Arbeits-, Durchsetzungs- und Darstellungskommunikation • Selektion von Personen und Positionen nach Gesichtspunkten massenmedialer Vermittelbarkeit (‚Ersetzung von Demokratie durch Demoskopie‘) • Politiker/Journalisten-Symbiosen • Erscheinungsform abhängig vom (zu erwartenden) Rangplatz in der Kommunikationshierarchie TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  22. Pseudo-Politik Folge: Zeit und Kraft werden vom Umgang mit Realproblemen abgezogen! • geplantes Kommunikationsmanagement und bewußte, nicht selten überlegt gestylte Kommunikationsdramaturgie (‚spin doctoring‘) • von vorbereitenden Hintergrundgesprächen über ein vereinbartes Timing von Artikeln und Interviews bis hin zur ‚Lichtregie‘ auf Parteitagen • Schaffung von Pseudoereignissen • von ‚Sommerreisen‘ über als wichtig avisierte Pressekonferenzen bis hin zu Gipfeltreffen als Medienspektakeln • Inszenierung symbolischer Politik • Ersetzung (nicht nur Begleitung) instrumentell wirksamen Handelns durch kommunikativ beeindruckendes Handeln idealerweise bewerkstelligt ... - auf demoskopischer Grundlage So entsteht: ‚Mediokratie‘ • - durch ‚bestellte‘ journalistische Begleitung TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  23. Medienmacht als Faktum • Medienmacht ist – wie wirtschaftliche Macht – zwar große, doch keine demokratisch legitimierte Macht. • ‚Macht ohne entziehbares Mandat‘ – ganz im Unterschied zur politischen Macht! • Im freiheitlichen Staat ... • verbieten sich ... • Zensur • zensurähnliche Journalistenkontrolle • gibt es keine massenwirksam kontrollierende Gegengewalt, weil die zu kontrollierenden Journalisten doch selbst den Zugang zur ihnen Macht spendenden Öffentlichkeit kontrollieren • funktionales Äquivalent zur fehlenden ‚Kontrolle der Kontrolleure‘: • ‚Geschäfte auf Gegenseitigkeit‘ zwischen Politik und Journalismus: gute Behandlung gegen gute Information • wirtschaftliche und administrative Einflußnahme von (gewählten!) Politikern auf Medienunternehmen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  24. Medienmacht als Problem • Medienmacht verzerrt den politischen Willensbildungsprozeß... • durch die Eigentümlichkeiten der Konstruktion von Medienwirklichkeit • durch eher anwaltschaftlichen als moderierenden Journalismus • Dennoch gibt es keine ... • mit Pluralismus und Freiheit vereinbaren institutionellenMechanismen zur Korrektur jener Verzerrungen • sinnvolle Alternative zu jener Rolle, die Massenmedien derzeit spielen. • einzige ‚Aushilfen‘: • politische Bildung der Bürgerschaft mit Medienkompetenz als Ziel • Pflege eines journalistischen Professionsethos, welches die behandelten Probleme ernstnimmt und gering hält TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  25. Struktur des deutschen Mediensystems Außenpluralismus aus historischen Gründen im Besitz umfangreicher Beteiligungen: SPD • Vielfalt privatrechtlich verfaßter Druckerzeugnisse (Tageszeitungen, Wochenschriften usw.) • dabei: Zielkreis ist meist die gesamte Bürgerschaft, nicht ein einziges politisches Lager • kleinere Gruppen der … • öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten • privaten Rundfunkanstalten aktuelle Zahlen in Rudzio, S. 394 Konkurrenz und ‚Ausbalancierung‘ der öffentlich-rechtlichen Anstalten • Entstehungsgrund: früher knappe Frequenzen und hohe Investitionen ließen es geboten erscheinen, den Rundfunk weder allein in die Hand von finanzkräftigen Privaten in die des Staates gelangen zu lassen • Folgen: • Vertreter von Parteien, kommunalen Spitzenverbänden, von gesellschaftlichen Organisationen und aus dem Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturbereich in den Aufsichtsgremien; • politische Ausbalancierung journalistischer Spitzenpositionen Binnenpluralismus TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  26. aktuelle Zahlen in Rudzio, S. 388f Struktur derdeutschen Presse erhebliche Konzentrationsprozesse, politisch problematisch v.a. im Bereich der Lokalpresse (‚Ein-Zeitungs-Kreise‘) • überregionale Tageszeitungen mit akzentuierter politischer Linie und anspruchsvollem Niveau (Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Welt …) • regionale Tageszeitungen mit hoher Auflage und landespolitischem Gewicht; meist politische Mitte oder flaches politisches Profil • lokale Tageszeitungen; zentral für Abgeordnete und Kommunalpolitik • Boulevardblätter mit magerem Informationsgehalt und großer Wirkung (v.a.: BILD) • politische Wochenschriften mit akzentuierter politischer Tendenz (SPIEGEL / Focus, ZEIT / Rheinischer Merkur) • Illustrierte mit speziellen Zielgruppen; darunter politisch relevant: STERN (linksorientiert) • Tagesschau und Tagesthemen • heute und heute-Journal ‚Flaggschiffe‘, an denensich Journalisten orientieren TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  27. Interessengruppen Art. 9 (1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten. (3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. • Verbot ausgesprochen von ... • Landesinnenminister, wenn Tätigkeit der Vereinigung in nur einem Bundesland • Bundesinnenminister, wenn Tätigkeit der Vereinigung in mehreren Bundesländern • Mitglieder der verbotenen Vereinigung können sich gerichtlich wehren! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  28. aktuelle Zahlen: Rudzio, S. 59ff Arten deutscher Interessengruppen • Unternehmen und Selbständige • freie Branchenverbände (BDI, Bauernverband, Zentralverband des Deutschen Handwerks …): Einfluß auf wirtschafts-, steuer- und sozialpolitische Entscheidungen • Arbeitgeberverbände: Interessenvertretung gegenüber den Gewerkschaften • öffentlich-rechtliche Kammern (Anwaltskammer, Handwerkskammer …): • Zugehörigkeit kraft Gesetz • gesetzlich vorgegebene Aufgaben: Stellungnahmen und Informationen zur Lage ihrer Wirtschaftszweige bzw. Berufsgruppen, Kontrolle der Berufsausbildung, Abnahme berufsqualifizierender Prüfungen usw. • abhängig Beschäftigte • Gewerkschaften im DGB • Beamtenbund, DAG, Flugleiterverband usw. • Verbraucherverbände • schwach entwickelt, z.B. Verbraucherzentralen • Verbände im sozialen Bereich • etwa Rotes Kreuz, Caritas, Haus- und Grundbesitzerverbände, Bund der Steuerzahler, Arbeitslostenverband, Anonyme Alkoholiker … • Freizeitvereinigungen, etwa ADAC (vor allem Binnenorientierung) • ideelle Vereinigungen, darunter Kirchen • Umweltschutzverbände TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  29. Organisatorische Merkmale von (deutschen) Interessengruppen • häufig territoriale Gliederung (z.B. Kreis-, Landes-, Bundes-, übernationale Gliedverbände) • Mitglieder in der Regel interessiert an ... • Mitmachen auf niedriger Organisationsebene (Sportverein,Feuerwehr, Kulturverein ...) • Dienstleistungen der Verbandsführung oder des professionellen Verbandsapparats • Aus genau diesem Grund: verbandspolitische Initiative und Gestaltungsaktivität in der Regel von oben nach unten (‚ehernes Gesetz der Oligarchie‘): • Weichenstellungen für Entscheidungen in kleineren und oft mitgliederfernen Gremien (Präsidien, Vorstände, Ausschüsse) • Eigengewicht der Verbandsbürokratie (Geschäftsführungen, hauptberufliche Funktionäre) • Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Regel nach informellem Proporzprinzip ( Vetomöglichkeiten), nicht nach offenem Mehrheitsentscheid ‚Apathie‘ ‚Vollversammlungen‘ von Mitgliedern funktionieren nicht; ‚Delegierte‘ sind meist Funktionäre TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  30. politische Wichtigkeit laut Lobbyliste des Bundestages: unter den dort eingetragenen Interessengruppen vertreten … 64,5% wirtschaftliche I. 16,2% soziale I. 11,4% kulturelle I. 3,1% ökologische I. 2,9% politische I. 2% Freizeitinteressen Interessengruppen in Deutschland • eingetragene Vereine: ca. 200.000 • Berufsverbände: rund 6800 • echte Interessenverbände(ohne Freizeitvereine): ca. 3500-4000 • überaus wichtige Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation • unterschiedlichste Organisationsgrade • Anlaufstellen (vor-) politischer Beteiligung • ‚vorpolitischer‘ Raum: zentrales ‚Wurzelwerk‘, das die politischen Organisationen und Institutionen im engeren Sinn (Parteien, Parlamente) mit der deutschen Gesellschaft verbindet TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  31. Organisationsgradedeutsche Interessengruppen Organisationsgrad= Anteil der Mitglieder von Interessenorganisationen an der Zahl derjenigen, die vertreten werden sollen • Bauern-, Ärzte- und Handwerkerorganisationen: über 90% • Unternehmensverbände der Industrie: 70-85% • Arbeitnehmerorganisationen: knapp 40%, mit drastisch mit abnehmender Tendenz bei Gewerkschaften (derzeit an die 18%) • am stärksten: Beamte, Großbetriebe in der Industrie • am schwächsten: Angestellte • nicht wenige Interessen werden ohnehin ‚advokatorisch‘ vertreten, nämlich von Personen, die vom entsprechenden Problem gar nicht selbst betroffen sind: etwa Sozialhilfeempfänger, vielfach auch Arbeitslose Ursachen geringer Organisationsgrade: • unterschiedliche Organisierbarkeit: Verhältnis von nötigen Anstrengungen, aufbringbarem Sozialkapital und Honorierung von Engagement • ‚Trittbrettfahrer-Effekt‘: Nutzen wird auch ohne Einsatz realisiert TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  32. Strategien des Verbandseinflusses wichtig: • Organisationsfähigkeit • Konfliktfähigkeit • Einwirken auf die Öffentlichkeit • normale Öffentlichkeitsarbeit • symbolische und spektakuläre Aktionen • Handlungsdruck entfaltende Aktionen: Demonstrationen, Streiks, ‚ziviler Ungehorsam‘ • Vernetzung mit politischen Entscheidungsträgern • Allianzen von Interessengruppen • Vernetzungen und Beziehungspflege in Parteien, Parlamenten, Regierungen und deren Verwaltungen • ‚Neokorporatismus‘ (Runde Tische, ‚Bündnis für ...‘, ‚Konzertierte Aktion‘, Tripartismus usw.) TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  33. Öffentlichkeitsarbeit von Verbänden • Wege: • Kontaktpflege zu Journalisten (Presseerklärungen,Einladungen zu Veranstaltungen …) • eigene Publikationen aller Art • Demonstrationen • Einflußnahme in den Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten • typische Argumentationsfigur: • ‚Die Verbandsinteressen dienen dem Gemeinwohl; sie zu erfüllen, entspricht allgemein akzeptierten Werten!‘ • Folge: Duktus von Heuchelei und rhetorischem Kitsch zentral: langfristigangelegte Meinungspflege! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  34. Verbände und Parteien • wechselseitige Nähe von einzelnen Verbänden und Parteien aufgrund gemeinsamer Geschichte oder gemeinsamen Überzeugungen: • SPD und Gewerkschaften, Union/FDP und Unternehmensverbände, GRÜNE und BUND • Spezialverhältnis Gewerkschaften-SPD: • Rekrutierungsbasis • ‚Hand- und Spanndienste‘ im Wahlkampf • versuchte Einflußnahme auf Wahlverhalten • ‚Wahlprüfsteine‘ der Gewerkschaften • Wahlhirtenbriefe der katholischen Bischöfe TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  35. Verbände und Parlamente • beim Bundestag rund 1700 Verbände mit Tausenden(1990er: rund 9000) von Vertretern registriert, • teils hauptamtlich oder als Selbständiger, teils im Nebenerwerb oder als Angestellter einer ‚Lobby-Firma‘ was Anspruch auf Anhörung durch Organe des Bundestages und der Bundesregierung begründet • weniger wichtig: Verbandsmitgliedschaften von Abgeordneten • viel wichtiger: dauerhafter Kontakt zwischen den Verbandsvertretern und den Fachpolitikern der Fraktionen (Arbeitskreise, Sprecher für Politikbereiche, Obleute in Ausschüssen) • Zweck: informiert sein & (zielgerichtet) Informationen geben • dabei: mitunter einander neutralisierende ‚cross pressures‘ auf Fraktionen und einzelne Abgeordnete wichtig für Urteil: ‚Lobbyismus‘ ist nicht illegitim, sondern die Nutzung des ganz selbstverständlichen Rechts, seine Interessen im Kontakt mit Politikern zu voranzubringen! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  36. traditionelles ‚Verbandsherzogtum‘ TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt ‚Fleischtöpfe des Sozialstaats‘

  37. Verbände und Regierungen • zentraler Einflußadressat der Verbände: Ministerien • 1985/86 gingen von 232 BDI-Eingaben 67% an die Bundesregierung, knapp 16% an den Bundestag, 8% an EG-Kommission • Ziele: • Kontakt halten: informiert sein & (zielgerichtet) Informationen geben • Einflußnahme auf Gesetzentwürfe möglichst schon im ‚Referentenstadium‘ • Wege: • Beiräte der Ministerien (Expertengremien, dicht besetzt mit Vertretern von Verbänden) • leichter Zugang der wichtigsten Verbände zu Regierungschefs und Ministern (Gewerkschaften, BDI …); (neo-)korporatistische Politikmuster • persönliche Vernetzungen zwischen Ministerialbürokratie und (nahestehenden) Verbänden • mißlich für Parlament: • wird zwischen (federführendem) Ministerium und Verbänden ein Gesetzentwurf schon ‚verbandsfest‘ gemacht, dann sind das schwer zu ignorierende Vorentscheidungen für die parlamentarische Phase des Gesetzgebungsverfahrens • Reaktion von Parlamenten: Versuch einer Verdichtung der Kommunikation mit (relevanten) Verbänden TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  38. (Neo-) Korporatismus kennzeichnend für Deutschland! Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und gesellschaftlichen Verbänden dergestalt, daß … • Produzenten-/Arbeitgeberinteressen in starken Dachverbänden organisiert sind, • Gewerkschaften eine politische Schlüsselstellung besitzen, • diese Verbände intern hierarchisch strukturiert sind und – innerhalb ihrer funktional differenzierten Zuständigkeit – ein faktisches Repräsentationsmonopol haben, • Parteiensystem und – so ausgestaltetes – Verbändesystem eng miteinander vernetzt sind, • die Beziehungen zwischen Verbänden und Regierung(en) institutionalisiert sind (z.B. ‚konzertierte Aktion‘, ‚Bündnis für …), • die Regierung eine Art Gewährsträgerschaft für die ausgehandelten Ergebnisse übernimmt. d.h.: Bürger werden in ihrer Eigenschaft als Träger spezifischer Interessen kontinuierlich und wirksam, wenn auch in funktionaler Engführung, gegenüber Parlament und Regierung vertreten TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  39. Außenfunktionen von Interessengruppen • Entdecken und Bewußtmachen von Mitgliederinteressen • Widerspiegelung gesellschaftlicher Interessenheterogenität • Interessenselektion • Setzung von Prioritäten für den politischen Streit • Interessenaggregation • Bündelung von Interessen zu plausiblen Handlungsprogrammen und entscheidbaren Alternativen • Interessenartikulation • Gang an die Öffentlichkeit, Herantreten an Entscheidungsträger • Ringen um die Durchsetzung von Interessen • Herbeiführen und Durchstehen von Konflikten TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  40. Nutzen von Interessengruppen für ein pluralistisches politisches System • Einbringen von Initiative, Sachverstand und Kontrolle in den politischen Prozeß • Erzwingen von Responsivität des politischen Systems, mit verbesserter gesellschaftlicher Integration als Folge • Beitrag zur Problemerkennungs- und Steuerungskapazität des politischen Systems durch … • gesellschaftliche Problemdiagnose und Ausarbeitung politischer Therapievorschläge • Mitwirkung an Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsauslegung • Akzeptanzsicherung und Legitimitätssteigerung des politischen Systems durch ... • Wirken als ‚Frühwarnsystem‘ • Einbindung in politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse und somit in die Führungsverantwortung (‚delegierte Führungsleistungen‘) Steigerung der Lernfähigkeit und Lernleistung des Systems aber nur, wenn die jeweils machtvollsten Interessengruppen selbst lernfähig sind! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  41. Verbände als‚mitregierende Korporationen‘ Verbandsbeteiligung an … • Rechtsetzung: Beiräte der Ministerien, Verwaltungsräte von Behörden … • Ausführung von Gesetzen: TÜV bei Überwachung technischer Einrichtungen, Wohlfahrtsverbände in der Sozialhilfe … • freie Wohlfahrtsverbände unterhalten – mit öffentlichen Zuschüssen – die Mehrheit der Kindergärten, Jugend- und Erziehungsheime, zahlreiche Krankenhäuser; insgesamt rund 93.000 Sozialeinrichtungen mit rund 1,1 Millionen Beschäftigten • Auslegung von Recht: Benennung der Beisitzer in Arbeits- und Sozialgerichten durch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  42. Rechtsgrundlagen der deutschen Parteien und deren Regelungsbereiche Grundgesetz BVerfG-Entscheidungen Parteiengesetz Wahlgesetze = Partei (anders als eine sonstige Vereinigung) darf nur vom BVerfG, also einem unabhängigen Gericht, und nicht von einem Innenminister, also von der – von einer konkurrierenden Partei geführten – Exekutive verboten werden TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  43. Parteien • Parteiengesetz erst 1967 beschlossen • zuvor: wichtige Urteile des BVerfG, v.a. zur Parteienfinanzierung Art. 21 (1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnungmuß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft ablegen. (2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. (3) Das Nähere regeln Bundesgesetze. TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  44. Vernetzungsfunktion Aufgaben der Parteien(laut Parteiengesetz) • faktisches Monopol: ohne Aufstellung durch eine Partei so gut wie keine Chance auf ein Wahlamt oberhalb der kommunalen Ebene! • Parteien = ‚Selektorat‘, Volk = ‚Elektorat‘ • Beteiligung an Wahlen durchKandidatenaufstellung • Personalmarktsfunktion: Rekrutierung, Kandidatenpräsentation • Formulierung politischer Ziele in Gestalt von Programmen • Einfluß auf die öffentliche Meinungund die politische Willensbildung • Einflußnahme auf die Politik inParlament und Regierung in Konkurrenz mit Interessengruppen, Medien, Unternehmen, angesehenen Einzelnen als die demokratisch AM BESTEN von allen legitimierte Institutionen! Führungsfunktion angehalten zur Erfüllung derResponsivitätsfunktion TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  45. Wahlrecht für Bundestagswahlen (Wahlgesetz, ursprünglich von 1956) in den meisten Bundes-ländern: grob analog ! ‚personalisiertes Verhältniswahlrecht‘ mit zwei Stimmen pro Wähler: • 299 Bundeswahlkreise • je ein ‚Direktabgeordneter‘ • Gewinn des Mandats nach relativem Mehrheitswahlrecht (‚Erststimme‘) • 299 Abgeordnete ziehen über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag ein (‚Listenmandate‘, vergeben durch ‚Zweitstimme‘) • Sitzverteilung im Bundestag insgesamt (Listenmandate plus Direktmandate) bestimmt sich proportional zum Zweitstimmenanteil (Hare-Niemeyer-Verfahren) • eine Partei, die weniger als 5% der gültigen Stimmen erhält, kann keine Abgeordneten in den Bundestag entsenden (‚Sperrklausel‘) • erhält eine Partei mindestens drei Direktmandate, so gilt für sie jene Sperrklausel nicht • wer ein Direktmandat erhält, zieht auf jeden Fall in den Bundestag ein • erhält eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren zustehen, so behält sie diese ‚überzähligen‘ Direktmandate (‚Überhangmandate‘) • theoretische Chance für Einzelbürger, als erfolgreiche Direktkandidaten in den Bundestag einzuziehen TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  46. Folgen für Abgeordnete • Nur ‚große‘ Parteien haben Chancen auf Direktmandate. • Wer ein Direktmandat hat und Chancen hat, renominiert und wiedergewählt zu werden, ist von der Basis seiner Wahlkreispartei und vor allem von der Wählerschaft im Wahlkreis abhängig. • nötig: Absicherung ‚nach außen‘ (= Wählerschaft) und gegenüber der regionalen Parteibasis • Wer ein Listenmandat hat und keine Chancen besitzt, ein Direktmandat zu erringen, ist von den landesweiten Nominierungsgremien seiner Partei abhängig, insbesondere davon, einen guten Listenplatz zu erhalten, und ferner vom Abschneiden seiner Partei insgesamt. • nötig: Absicherung ‚nach innen‘ (d.h.: gegenüber der Gesamtpartei) • Die meisten ‚Listenabgeordneten‘ sind unterlegene Direktkandidaten. • bei CDU/CSU und SPD, in den neuen Bundesländern auch bei der PDS, verhalten sich Listenabgeordnete bezüglich ihrer Wahlkreisbetreuung wie Direktabgeordnete • Rechtlich gibt es keinerlei Unterschiede zwischen Direkt- und Listenabgeordneten. Wiederwahlmechanismus ! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  47. Die Bindeglied- bzw. Netzwerkfunktion von Parteien • vertikale Vernetzung in / über ... • Sozialmilieus, in denen die Parteien (noch) wurzeln • vorpolitischen Raum der Bürgerinitiativen, Vereine und Verbände • Gliederungsebenen der Parteien:Ort – Kreis/Unterbezirk – Land – Bund – Europa • horizontale Vernetzung mit / von ... • (auf der jeweiligen Ebene) • Lebenswelten der Bürger • Kommunen • Interessengruppen • Medien • Verwaltungsbehörden • anderen Parteien • Parlamenten • Regierungen Mittel: Mehrfachmitgliedschaft von Parteiführern in unterschiedlichsten Gremien, v.a.: Verbindung vonParteiamt und Parlamentsmandat! Nicht jede Partei muß alles leisten – doch alle zusammen sollten das schaffen! Ohne diese Leistungen fehlt es einem komplexeren politischen System an den Voraussetzungen für effiziente, responsive politische Führung! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  48. Personalmarktsfunktion von Parteien • Parteien sind in einem modernen politischen System die zentralen Institution der ... • Rekrutierung • Ausbildung • Vermittlung politischen Führungspersonals zu jenen Stellen, die einer Partei – aufgrund ihres Wahlergebnisses – zur Machtausübung auf Zeit zufallen. • Parteien sind also Karrierevehikel für Personen, die sich dauerhaft politisch betätigen wollen. • Es hängt von der Struktur des Gesamtsystems ab, in welchem Grad diese ‚Personalmarktsfunktion‘ von Parteien zu übernehmen ist. in Deutschland: zentral ! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  49. Kandidatenpräsentationsfunktionvon Parteien • Parteien wirken als Selektorat für Personen, die sich mit Aussicht auf Erfolg dem Elektorat stellen wollen • Wer politische Macht ausüben will, muß zunächst einmal Gleichgesinnte hinter sich bringen! (Parteien = erste ‚Filterstelle‘ für politisches Personal) • Parteien präsentieren den Wählern Kandidaten, für die sie selbst eine Art ‚Qualitätskontrolle‘ garantieren und sozusagen die ‚Produkthaftung‘ übernehmen • Parteien werden zu Recht nach jenen (Spitzen-) Kandidaten beurteilt, über welche sie jene Inhalte ‚personalisieren‘, für die sie stehen • Parteien übertragen ihr eigenes Ansehen als ‚eingeführte Marken‘ auf ihre Kandidaten • Wer gewählt ist, verdankt das in der Regel eher dem Ansehen seiner Partei als seiner Person – weswegen er sein Amt meist verlieren wird, sobald sich seine Partei nicht länger mit ihm identifiziert: funktionslogische Grenze des ‚freien Mandats‘! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

  50. Die Führungsfunktion von Parteien • Zielfindungsfunktion: • zu lösende Probleme erkennen • lohnenswerte Ziele vorschlagen • Programmentwicklungsfunktion: • Interessen und Problemlösungsmöglichkeiten so bündeln, daß – durch Versuch und Irrtum a posteriori zu erkennen – auf das Gemeinwohl ausgerichtete und zugleich die Wiederwahl der Partei sichernde Politik entstehen kann • Programmdurchführungsfunktion: • Umsetzung des Programms in konkrete Entscheidungen nach Maßgabe der Mehrheitsverhältnisse • Lernen aus der Praxis samt nötiger Programmveränderung • Erklärungs- und Werbungsfunktion (‚explaining policy‘): • Erläuterung der ergriffenen Maßnahmen gegenüber Bürgern • Auseinandersetzung mit Kritik Maßstäbe für Parteienkritik ! TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

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