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Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen. „ Bielefelder Studie“: Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009 – 2011
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Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen • „Bielefelder Studie“: Lebenssituation undBelastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen • und Behinderungen in Deutschland • Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009 – 2011 • a) Empirische Daten und Ergebnisse • b) Schlußfolgerungen und Handlungsempfehlungen • 2) Handlungsvorschläge für die bezirkliche Ebene
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a ) empirische Daten1561 Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren mit Behinderungen oder mit chronischen Erkrankungen (mit und ohne SB-Ausweis) - 1.141 aus Privathaushalten davon 341 blinde, gehörlose und schwerst- und mehrfachbehinderte Frauen - 420 aus stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Qualitative Zusatzbefragung von 31 Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen mit Tiefeninterviews zu Gewalterfahrungen
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten Methoden:quantitative Befragungen mit strukturiertem Fragebogenbehinderungsangepaßte, barrierefreie Befragung (je nach Behinderungsart: leichte Sprache, barrierefreie digitale Fragebögen,…) Qualitative Tiefeninterviews - an Behinderungsart angepaßt, z.B. durch gehörlose Interviewerinnen in Gebärdensprache, in leichter Sprache, mit Mitteln der unterstützten Kommunikation
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Erwachsenenalter Körperliche Gewalt (Schlagen mit und ohne Gegenstände, Treten, Schubsen, Festbinden, …) 58-75 % (je nach Behinderungsart): Höchstes Risiko für gehörlose Frauen und Frauen mit psychischen Erkrankungen doppelt so häufig wie bei Frauen ohne Behinderung (35 %)
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter • 21-43 % • Höchste Risikogruppe: gehörlose Frauen und Frauen mit psychischen Erkrankungen 2-3 Mal so hoch wie bei Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Psychische Gewaltim Erwachsenenalter(verbale Beleidigung, Demütigung, Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung, Psychoterror, Bevormundung, Grenzverletzung) : 68-90 %; hiervon 40-50 % durch Ämter, und 30-40 % durch Ärzte/Ärztinnen) Höchste Risikogruppen: gehörlose, blinde und psychisch kranke Frauenfast doppelt so hoch wie bei Frauen in Vergleichsgruppe
Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Kindes- und Jugendalter Elterliche körperliche Gewalt74-90 % (Vergleichsgruppe 81%) Sexuelle Gewalt durch Erwachsene 20-34 % Haupt-Risikogruppen: blinde und gehörlose Mädchen 2-3 Mal so häufig wie Mädchen in Vergleichsgruppe (10%) Sexuelle Gewalt durch andere Kinder und Jugendliche 25-52 % Hauptrisikogruppen: gehörlose und blinde Mädchenbehinderungsbedingte Grauzone bei Frauen mit kognitiven Beeinträchtigungen
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Kindes- und Jugendalter Psychische Gewalt durch Eltern • 50-60 %knapp doppelt so viel wie bei Frauen/Mädchen im Bevölkerungsdurchschnitt
Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Täter und Tatorte • Überwiegend männlich, wie bei Gewalt gegen Frauen ohne Behinderung • Im unmittelbaren sozialen Umfeld (Familie, Partnerschaft) • In Einrichtungen der Behindertenhilfe (stationären Wohnangebote und Werkstätten für Menschen mit Behinderung) • In Schulen für Kinder mit Behinderung , durch ältere Mitschüler , weniger durch Lehrer und Betreuer • An öffentlichen Orten durch fremde Personen (höheres Gewaltrisiko als für Frauen ohne Behinderung) • Ämter, Behörden und Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung (hier: psychische Gewalt und Diskriminierung)
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Strukturelle Diskriminierung und Gewalt Leben in einer stationären Einrichtung • Belastend und reglementierend • Eingeschränkte Selbstbestimmung über Lebensführung und Alltagsgestaltung • Einschränkung oder keine Privat- und Intimsphäre • Nur 10-15 % haben eine eigene Wohnung • 20 % haben kein eigenes Zimmer • Keine Mitbestimmung bei der Auswahl der Mitbewohner/innen • 20-40 % der Frauen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder mit psychischen Erkrankungen haben keine abschließbaren Wasch- und Toilettenräume
Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Strukturelle Diskriminierung und Gewalt Leben in einer stationären Einrichtung • Soziale Ausgrenzung – wenig Außenkontakte • Wenig Partnerschaften • Wenig Familiengründung (kaum Frauen mit Kindern) Leben in Privathaushalten (mit Angehörigen, alleine oder mit Partner mit und ohne eigene Kinder) • Angst vor finanzieller Not und Existenzverlust , prekäre finanzielle Situation • Finanzielle Abhängigkeit von Eltern/Angehörigen oder vom Partner/in
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung a) empirische Daten und Ergebnisse Strukturelle Diskriminierung und Gewalt Durch Umwelt und Sozialraum • Mangelnde Barrierefreiheit in Gebäuden und in öffentlichen Einrichtungen und Infrastruktur • Unzureichende oder fehlende Bereitstellung von Hilfsmitteln oder z.B. von Gebärdensprachdolmetschern • Rücksichtslosigkeit und fehlendes Verständnis von Ämtern und Behörden
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung b) Schlussfolgerungen der Autoren und Autorinnen Individuelle Risikofaktoren • Behinderungsbedingte eingeschränkte Möglichkeiten der Selbstbestimmung und -behauptung und der Gegenwehr • Wenig ausgeprägtes Selbstbewußtsein, wenig ausgeprägtes Bewußtsein bei Betroffenen und im gesellschaftlichen Umfeld für das Recht behinderter Frauen auf Autonomie, selbstbestimmte Sexualität und Familiengründung und auf körperliche Unversehrtheit • stark ausgeprägte Minderwertigkeitsgefühle (Kein Recht, Ansprüche und Forderungen zu stellen) • Informationsdefizite bei Frauen mit Behinderung zu Frauenberatungs-, schutz- und Unterstützungsangeboten
Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung b) Schlussfolgerungen der Autoren und Autorinnen Strukturelle Risikofaktoren • Mangelnde Angebote zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts behinderter Frauen • Mangelnde Beschwerdemöglichkeiten in Einrichtungen der Behindertenhilfe • Mangelnder Schutz der Privat- und Intimsphäre in Einrichtungen der Behindertenhilfe • Mangelnde Außenkontakte von Bewohnerinnen in Wohneinrichtungen • Mangelnde barrierefreie Ausstattung und Infrastruktur des Hilfesystems und des Informationsmaterials • Bestehende gesetzliche Schutzmöglichkeiten greifen nicht bei Frauen in Einrichtungen (Gewaltschutzgesetz – Wegweisungsrecht) • Mangelndes Bewußtsein bei Verantwortlichen der Behindertenhilfe und bei Ämtern über das Selbstbestimmngsrecht behinderter Frauen über ihren Körper, ihre Sexualität und ihre selbstbestimmte Familienplanung
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung b) Handlungs- und Präventionsempfehlungen der Autoren und Autorinnen Personelle Gewaltausübung wird befördert durch diskriminierende strukturelle Rahmenbedingungen: Präventionsmaßnahmen greifen nur, wenn diese begleitet sind durch wirksame Maßnahmen zum konsequenten Abbau von Diskriminierung und struktureller Gewalt: Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung entsprechend den Vorgaben der UN-BRK und aktive Einlösung dieser Rechte
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung b) Handlungsempfehlungen der Autoren und Autorinnen • Niedrigschwellige und barrierefreie Schutz- und Unterstützungsangebote für Mädchen und Frauen mit Behinderung • Qualifizierung und Sensibilisierung bestimmter Berufsgruppen: Ärztinnen und Ärzte (niedergelassene und im öffentlichenGesundheitswesen), Lehrer/innen an Sonder – und an Regelschulen, Kita-Erzieher/innen, Berufsgruppen in der Pflege und der Behindertenhilfe) • Verpflichtende Leitlinien und Qualitätsstandards für Dienstleister der Behindertenhilfe zum Schutz der Klienten und Bewohnerinnen vor Gewalt jeglicher Art und zum Umgang mit Tätern
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung b) Handlungsempfehlungen der Autoren und Autorinnen Erforderliche Maßnahmen • Empowerment- und Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Frauen mit Behinderung (als Leistung der Eingliederungshilfe und der Krankenkassen) • Inklusive Bildungsbeteiligung • Möglichkeiten der selbstbestimmten Familienplanung • Respektvoller und diskriminierungsfreier Umgang mit Menschen mit Behinderung in Ämtern und Behörden • Frauenbeauftragte in Einrichtungen der Behindertenhilfe (Modellprojekt Werkstätten): Qualifizierung von Frauen mit Behinderung zu Frauenbeauftragten, angemessene behinderungsgerechte Arbeitsplatz- und Personalausstattung
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung Erste Maßnahmen auf der Bundesebene: • Einführung des bundesweiten barrierefreien 24-Std.-Hilfetelefons • Weiterführung des Modellprojektes „Frauenbeauftragte in Einrichtungen der Behindertenhilfe“ (erstmals Interesse bei Berliner Werkstätten) • Start einer Folgestudie zu Lebensbedingungen von Männern mit Behinderung
1) Bielefelder Studie - Erste Repräsentative Studie an Frauen mit Behinderung Erste Maßnahmen auf der Berliner Landesebene • Erweiterung bestehender Netzwerke und Strukturengegen Gewalt gegen Frauen durch Teilnahme Landesbeirat, Netzwerk behinderter Frauen Aber: gleichzeitig Kürzungen bei einzelnen Projekten!Keine Aufnahme konkreter Handlungsempfehlungen derSenatsverwaltung für Frauen in Berliner Aktions- undMaßnahmeplan zur Umsetzung der UN-BRK • Erstellung von barrierefreiem Informationsmaterial durch Senatsverwaltung für Frauen
2) Handlungsvorschläge für die bezirkliche EbeneBedarfe und Möglichkeiten Keine Zuständigkeit des Bezirks für Aus-, Fort- und Weiterbildung bestimmter Berufsgruppen Keine Zuständigkeit für Ausstattung des bestehenden etablierten Systems der Beratungs-, Schutz- und Unterstützungsangebote für Frauen mit Gewalterfahrung Aber: • Kooperation und Unterstützung von Beratungs- und Schutzeinrichtungen im Bezirk beim Ausbau eines bedarfsgerechten und barrierefreien Angebotes • Austausch und Kooperation zwischen Netzwerken der Frauen-Anti-Gewalt-Arbeit und bezirklichen behindertenpolitischen Strukturen • Unterstützung von Schulen, Sportvereinen, Jugendfreizeit-einrichtungen zur Bereitstellung von Selbstbehauptungs- und Empowermentkursen für Mädchen und Frauen mit Behinderung
2) Handlungsvorschläge für die bezirkliche EbeneBedarfe und Möglichkeiten • Motivierung und Unterstützung der Träger der Behindertenhilfe bei der Entwicklung und Umsetzung von Leitlinien und Qualitätsstandards zum Schutz behinderter Frauen und Mädchen vor Gewalt durch Kostenträger: Jugend- und Sozialamt • Qualifizierung und Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen : Sozial-, Jugend- und Gesundheitsamt (Kostenträger) • Bezirkliche Aktivitäten zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ an Bedarfe von Frauen und Mädchen mit Behinderung anpassen
Bereits begonnene und geplante Maßnahmen im BA Beauftragte für Menschen mit Behinderung • Ergebnisse der Bielefelder Studie wurden BA-intern kommuniziert und zur Verfügung gestellt • Öffentlichkeitsarbeit: Veröffentlichung des vorhandenen barrierefreien Informationsmaterials, Information über vorhandene barrierefreie Beratungs- und Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen mit Behinderung • Information über Kursangebote für Frauen mit Behinderung zu Selbstbehauptung, selbstbestimmter Sexualität und Familienplanung, und zu gleichen Themen für Mitarbeiter/innen der Behindertenhilfe • Fachlicher Austausch mit Netzwerk behinderter Frauen • Unterstützung und Organisation von: Empowerment-Workshops und von Judokursen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistigen und Mehrfach-Behinderungen seit 2011erstmals in 2013: Schnupperkurse, auch nur für Frauen mit Behinderung