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Dokumentarische Methode. Auswertungsverfahren fr die Interpretation unterschiedlichster Materialien: Gruppendiskussionen Beobachtungsprotokollenarrative InterviewsBilderVideos u.a.. Dokumentarische Methode. Anwendung in vielen (Sub-)Disziplinen:BildungsforschungJugendforschungMigrationsfors
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1. Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis Am Beispiel der dokumentarischen Interpretation narrativer Interviews
Arnd-Michael Nohl
2. Dokumentarische Methode Auswertungsverfahren für die Interpretation unterschiedlichster Materialien:
Gruppendiskussionen
Beobachtungsprotokolle
narrative Interviews
Bilder
Videos u.a.
3. Dokumentarische Methode Anwendung in vielen (Sub-)Disziplinen:
Bildungsforschung
Jugendforschung
Migrationsforschung
Geschlechterforschung
Wissenschaftsforschung
Organisationsforschung
Medizin etc.
4. ‚Erfinder‘ der dokumentarischen Methode Karl Mannheim (1893-1947):Beiträge zur Theorie der Weltanschauungsinterpretation. In: Ders.: Wissenssoziologie, Neuwied: Luchterhand 1964, S. 91-154
Harold Garfinkel (Ethnomethodologie)
Ralf Bohnsack
5. Literaturangaben
Bohnsack, Ralf: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen: utb 2007 (6. Auflage)
Bohnsack, R./Nentwig-Gesemann, I./Nohl, A.-M. (Hrsg.): Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Forschung. Opladen: Leske + Budrich 2001 (2. Auflage für 2007 geplant)
6. Überblick über das Referat Gemeinsamkeiten qualitativer Forschung und der besondere Ansatz der dokumentarischen Methode
Die vier Schritte der dokumentarischen Methode und die Interpretation narrativer Interviews:
formulierende Interpretation
reflektierende Interpretation
sinngenetische Typenbildung
soziogenetische Typenbildung
Zusammenfassung
7. Teil: Gemeinsamkeiten qualitativer Forschung „die Analyse impliziter oder latenter Bedeutungsgehalte“
„die praxeologische Zugangsweise oder pragmatische Brechung“
„die Prozess- oder Sequenzanalyse“
„die methodische Fremdheit oder analytische Distanz“
„die Rekonstruktion oder Explikation der Forschungs-Praxis“
8. a. die Analyse impliziter oder latenter Bedeutungsgehalte Intentionaler Ausdruckssinn (was jemand beabsichtigt hat)
Objektiver Sinngehalt (Das WAS einer Handlung/eines Textes, der in seiner allgemeinen Bedeutung erfasst wird)
Dokumentsinn (Das WIE einer Handlung, eines Textes, der als Dokument für einen spezifischen Habitus betrachtet wird)
9. b. die praxeologische Zugangsweise oder pragmatische Brechung Der Dokumentsinn ist – da er sich auf das WIE einer Handlung/eines Textes bezieht – in die (soziale) Praxis eingelassen.
„atheoretisches Wissen“ (Mannheim)
„habituelles Handeln“ (Bohnsack)
„konjunktive Erfahrung“ vs. „kommunikatives Wissen“ (Mannheim)
10. c. die Prozess- oder Sequenzanalyse Praxis ist nicht von Situation zu Situation verschieden, sondern weist eine Prozessstruktur auf.
Handlungsprozesse lassen sich in Sequenzanalyse nachzeichnen
Komparative Sequenzanalyse
14. d. Methodische Fremdheit oder analytische Distanz Analytische Distanz durch Einstellung auf das WIE
Zwei Wege, das WIE zu rekonstruieren:
Objektive Hermeneutik: Gedankenexperimente der Interpreten zu möglichen Anschlussäußerungen
Dokumentarische Methode: Interpretation empirisch gegebener Anschlussäußerungen
19. e. die Rekonstruktion oder Explikation der Forschungs-Praxis Rekonstruktion der Forschungsschritte
Keine Methode ist alleine praxisbasiert
In der dokumentarischen Methode basieren vor allem die formulierende und reflektierende Methode auf der Forschungspraxis
20. 2. Teil: Die vier Schritte der dokumentarischen Methode und die Interpretation narrativer Interviews (biographische u. Leitfadeninterviews) Formulierende Interpretation
Reflektierende Interpretation
Sinngenetische Typenbildung
Soziogenetische Typenbildung
21. Formulierende Interpretation
Reflektierende Interpretation
Sinngenetische Typenbildung
Soziogenetische Typenbildung
22. Forschungsbeispiele entnommen aus:
23. a. Formulierende Interpretation Es geht um die Zusammenfassung des thematischen Gehaltes (WAS – objektiver Sinn)
Themativer Verlauf und Auswahl zu transkribierender Passagen
Themen der Forschenden
focussierte Themen der Erforschten
mehreren Fällen gemeinsame Themen
(selektive) Transkription
Formulierende Feininterpretation
24. b. Reflektierende Interpretation Wie (in welchem Orientierungsrahmen) wird ein Thema oder eine Problemstellung bearbeitet?
Formale Textanalyse unter Heranziehung von Fritz Schützes Textsortentrennung
Semantische Textanalyse mittels der komparativen Sequenzanalyse
25. Formale Textanalyse unter Heranziehung von Fritz Schützes Textsortentrennung Beschreibung:
Beschreibungen zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen immer wieder kehrende Handlungsabläufe oder feststehende Sachverhalte (z. B. ein Bild, eine Maschine) dargestellt werden. Typische Hinweise auf solche Beschreibungen sind Worte wie „immer“ oder „öfters“ (vgl. Schütze 1987a, S. 146f).
26. Beispiel für Beschreibung:
„das isn Zeltlager da hat- die ham dort halt oben das Zeltlager und unten is dann n festes Gebäude //Mmh// wo son grosser Saal is und wo dann auch Veranstaltungen gemacht wird Disco und sowas //Mmh// und unten im Keller gabs ooch (Probe)räume oder b- einen Proberaum.“ Formale Textanalyse unter Heranziehung von Fritz Schützes Textsortentrennung
27. Erzählung:
Erzählungen zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen der Informant Handlungs- und Geschehensabläufe darstellt, die ein Anfang und ein Ende haben. Es geht hier um ein „singuläres Ereignis..., das durch spezifische Zeit- und Ortsbezüge gekennzeichnet“ ist und „das den Übergang zwischen zwei Zeitzuständen beinhaltet“, „welche durch eine Zeitschwelle voneinander getrennt“ sind und „dessen späterer aus dem früheren hervor“ geht (Schütze 1987a, S. 146f).
28. Beispiel für Erzählung:
„un dann wurden einfach irgendwelche Leute ausm Zeltlager=gegriffen und die sollten sich jetz da ransetzen. und son Jazzer n Berliner Jazzer der hat dort halt dann die Musikgruppe angeführt sozusagen (.) und dann hat er hat er mich an den Bass- äh an die Gitarre gesetzt. //@(.)@// Einfach so. Und denn hab ich halt da rumgeklimpert“
29. Argumentation/Bewertung:
Argumentationen und Bewertungen sind (alltags-) theoretische Zusammenfassungen und Stellungnahmen zu den Motiven, Gründen und Bedingungen für eigenes oder fremdes Handeln (vgl. ebd., S. 148). „Theoretische Reflexionen und evaluative Stellungnahmen haben stets einen starken inhaltlichen Bezug zum Gegenwartsstandpunkt des Erzählers, denn dem Anspruch nach gelten ja argumentative, abstrakt-beschreibende und bewertende Sätze über die unmittelbaren Situations- und Episodengrenzen der erzählten Geschichte hinaus“ (Schütze 1987a, S. 149).
30. Beispiel für Bewertung:
„das muss total zum Totlachen sein“
31. Erzählungen und Beschreibungen sind dicht an der erzählten Zeit und entsprechen der Ebene der „konjunktiven Erfahrung“ (Mannheim).
Argumentationen verweisen auf die Erzählzeit/Interaktion mit Interviewer und entsprechen der Ebene des „kommunikativen Wissens“
32. Komparative Sequenzanalyse (Erzählte) Praxis ist nicht von Situation zu Situation verschieden, sondern weist eine Prozessstruktur auf.
Handlungsprozesse lassen sich in Sequenzanalyse nachzeichnen
Komparative Sequenzanalyse
38. Der Vergleich beginnt schon in der Interpretation erster verbaler Äußerungen, deren Orientierungsrahmen nur in Abgrenzung zu anderen Orientierungsrahmen identifiziert werden kann
Ziel ist nicht die genaue Fallrekonstruktion, sondern die Bildung von Typen
41. c. Sinngenetische Typenbildung Ziel:
Rekonstruktion der unterschiedlichen Orientierungsrahmen in ihrer eigenen Sinnhaftigkeit
Abstraktion der Orientierungsrahmen durch Heranziehen weiterer Interviews
44. d. Soziogenetische Typenbildung Ziel:
Rekonstruktion der sozialen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Orientierungsrahmen
Wechsel des tertium comparationis
(z.B.: nicht nur: welche Phasen im Bildungsverlauf lassen sich identifizieren, sondern auch: welche lebensalterspezifischen Unterschiede finden sich?)
53. 3. Zusammenfassende Thesen zur dokumentarischen Methode Rekonstruktion von Orientierungsrahmen(WIE der Bearbeitung von Themen; implizites, praktisches, „atheoretisches“ Wissen;
Der Vergleich beginnt schon in der Interpretation erster verbaler Äußerungen, deren Orientierungsrahmen nur in Abgrenzung zu anderen Orientierungsrahmen identifiziert werden kann
54. 3. Zusammenfassende Thesen zur dokumentarischen Methode Rekonstruktion der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Orientierungsrahmen
Ziel ist nicht die genaue Fallrekonstruktion, sondern die Bildung von Typen
Theoriegenerierung durch Typenbildung
55.
Typus und Fall sollten nicht deckungsgleich sein, da sich sonst die Reichweite und das Bedingungsgefüge eines Typus nicht ermitteln lässt.
Damit Typus und Fall nicht übereinstimmen, sollten in jedem Fall mehrere Typen herausgearbeitet werden
Möglich wird dies durch eine zielgerichtete Variation der zu rekonstruierenden Fälle nach dem Prinzip des „Kontrasts in der Gemeinsamkeit“ (Ralf Bohnsack)
56. Das „Ineinandersein Verschiedener sowie das Vorhandensein eines einzigen in der Verschiedenheit“ (Karl Mannheim)
57. Soziogenetische Typenbildung ermöglicht Generalisierung und Spezifizierung, indem die Grenzen und Reichweite von Typen identifiziert werden:
58. Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis