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„Internationale Organisierte Kriminalität und deren Bekämpfung“

„Internationale Organisierte Kriminalität und deren Bekämpfung“. Prof. Dr. Arndt Sinn, Osnabrück 16.11.2010. Was ist Organisierte Kriminalität ?. Diffuses Bild über O.K. in der Gesellschaft Inflationäre Verwendung des B egriffs in den Medien Keine Definition im StGB.

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„Internationale Organisierte Kriminalität und deren Bekämpfung“

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Presentation Transcript


  1. „Internationale Organisierte Kriminalität und deren Bekämpfung“ Prof. Dr. Arndt Sinn, Osnabrück 16.11.2010

  2. Was ist Organisierte Kriminalität ? • Diffuses Bild über O.K. in der Gesellschaft • Inflationäre Verwendung des Begriffs in den Medien • Keine Definition im StGB

  3. Weshalb ist es wichtig zu wissen, was Organisierte Kriminalität ist? • Definition ist Leitbild für den Gesetzgeber (Typenbildung) • Grenzziehung zu anderen Kriminalitätsbereichen bezüglich • Strafhöhe • Strafverfolgung (Ermittlungsmaßnahmen) • Statistik • Strategiebildung • Prävention

  4. Definitionsversuche • Deutschland • Offizielle OK-Definition (Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei, 1990/RiStBV 1991) Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig • unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, • unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder • unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus. • Für die Qualifizierung kriminellen Verhaltens als Organisierte Kriminalität müssen alle generellen und zusätzlich mindestens eines der speziellen Merkmale der Alternativen a) bis c) der OK-Definition vorliegen.

  5. Definitionsversuche 2. Europäische Union (Arbeitsdefinition des Rates der Europäischen Union und Europol) 4 plus 2 = 6 = O.K. • „Als organisierte Kriminalität werden danach Verhaltensweisen angesehen, die sechs der folgenden Merkmale erfüllen. Jedenfalls müssen die Merkmale 1, 3, 5 und 11 gegeben sein: • Zusammenschluss von mehr als 2 Personen; • von denen jede ihre zugehörige Aufgabe erfüllt; • auf längere oder unbegrenzte Dauer (Hinweis auf Stabilität und (potentielle) Dauerhaftigkeit); • unter Anwendung bestimmter Formen von Disziplin und Kontrolle; • wobei die Personen unter dem Verdacht der Begehung schwerer Straftaten stehen; • im internationalen Maßstab aktiv sind; • Gewalt und andere Einschüchterungsmittel anwenden; • gewerbliche oder gewerbeähnliche Strukturen verwenden; • Geldwäsche betreiben; • Einfluss auf die Politik, die Medien, die öffentliche Verwaltung, die Justizbehörden oder die Wirtschaft nehmen; • durch das Streben nach Gewinn und/oder Macht motiviert sind.“

  6. Unterschiede • EU-Arbeitsdefinition weiter, weil auf Planmäßigkeitverzichtet wird • Arbeitsteiligkeit ist als spezielles Merkmal ausgestaltet Folge: Merkmal ist nicht zwingend erforderlich. EU-Arbeitsdefinition enger, da neben den 4 allgemeinen Merkmalen 2 spezielle nachgewiesen werden müssen.

  7. Fakten zur O.K.BKA Lagebild 2009 • Zahlen basieren auf der o.g. dt. O.K.-Definition Anzahl der Ermittlungsverfahren

  8. Fakten zur O.K.BKA Lagebild 2009

  9. Fakten zur O.K.BKA Lagebild 2009 • Wirtschaft • Inland: 16, Ausland: 10 24 Verfahren 15 Verfahren • Medien • Inland: 12, Ausland: 3

  10. Fakten zur O.K.BKA Lagebild 2009 • Schäden: 2009: 1,37 Mrd. Euro 2008: 691 Mio. Euro Anstieg? • 1 Verfahren: 675 Mio. im Bereich Anlagedelikte: • Handel mit weitgehend wertlosen Aktien. Laut Staatsanwaltschaft haben mehr als 20 000 Anleger für mindestens 760 Millionen Euro diese Aktien gekauft.

  11. Fakten zur O.K.BKA Lagebild 2009 • Gewinne: 2009: 903 Mio. Euro 2008: 663 Mio. Euro

  12. Vermögensabschöpfung • 2009: 113 Mio. Euro • Europäische Union: • Beschluss des Rates 2007/845/JI vom 6. Dezember 2007 über die Zusammenarbeit zwischen den Vermögensabschöpfungsstellen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Aufspürens und der Ermittlung von Erträgen aus Straftaten oder anderen Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Straftaten.

  13. Geldwäsche • Instrument zur Verhinderung der Legalisierung von illegalen Geldern und Vermögenswerten • Geldwäschetatbestand problematisch • Verdachtsanzeigen als Präventionsinstrument • 2009: 180 Verfahren mit Verdacht auf Geldwäscheaktivitäten

  14. Tatverdächtige

  15. Tatverdächtige in Abhängigkeit zur Staatsangehörigkeit

  16. Tatverdächtige - Veränderungen

  17. Tatverdächtige - Veränderungen

  18. Tatverdächtige insgesamt

  19. Gruppenstrukturen • Anzahl der Mitglieder durchschn. 16 • Wenig Gruppen mit mehr als 50 Mitgliedern • In Deutschland wird die O.K. von deutschen und türkischen O.K.-Gruppen geprägt

  20. Betätigungsfelder

  21. Betätigungsfelder

  22. Betätigungsfelder

  23. Transnationale O.K. • Umsatz: • 1300 Mrd. USD = 3% der Weltwirtschaftsleistung • Anfälligkeit: • Staaten, die schwache Verwaltungsstrukturen haben und wenig demokratisch orientiert sind • Struktur: • Zellen ähnlich kleiner Netzwerke

  24. Transnationale O.K. • Drogenhandel: • Schmuggel von Kokain nach Europa und Nordamerika  72 Mrd. USD/Jahr Umsatz • 1% verbleibt bei den Kokabauern und Schmugglern in den Anden • Konsumenten in Europa 4,1 Mio. (Verdoppelung seit 1998) • Kokainmarkvolumen 2008 in Europa: 34 Mrd. USD

  25. Transnationale O.K. • An zweiter Stelle Heroin • 33 Mrd. USD/Jahr • Aufständige Taliban finanzieren sich mit mind. 125 Mio. USD aus Opiumernten • Nebenfolge: Korruption • Schmiergeldzahlungen durch Drogenkartelle mehrere Mrd. USD

  26. Transnationale O.K. • Menschenhandel und Menschenschmuggel • 140.000 Frauen/Jahr Opfer des Sexhandels • Gewinn: 3 Mrd. USD/Jahr • 3. Mio. Menschen/Jahr aus Lateinamerika nach Nordamerika  7 Mrd. USD/Jahr • 55.000 Menschen aus Afrika/Jahr nach Europa  150 Mio. USD/Jahr • Sexhandel „stabil“ • Menschgenschmuggel leicht rückläufig

  27. Transnationale O.K. • Illegaler Handel mit Schusswaffen: • Beziehungen zu staatlichen Stellen begünstigen das Geschäft (Ausstattung mit Papieren für ganze Schiffsladungen) • Zwischenhändler die Regel • Liberaler Schusswaffenmarkt und Wettbewerb in den USA begünstigt Geschäfte nach Mexiko • Illegale Handfeuerwaffen aus Osteuropa werden an politische Gruppierungen verkauft (Schwächung anderer politischer Systeme) • Ukraine: zwischen 1992 und 1997 verschwand militärische Ausrüstung im Wert von 32 Mrd. USD • 2007/08: Verkauf von 40.000 KK (33 Mio.) in den Südsudan

  28. Transnationale O.K. Gründe: • O.K. bedient den Markt • Markt funktioniert über Angebot und Nachfrage • Nachfrage in den Tätigkeitsbereichen stabil

  29. Transnationale O.K. Konsequenzen der UNODC • Senkung der Nachfrage • Strikte Verbote und Strafen • Transnationale Zusammenarbeit

  30. Transnationale O.K. - Verbindungen zum Terrorismus? • 1.7.2010: Anklage gegen Mitglieder der „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ (Terrororganisation) • Geplanter Schmuggel von Kokain über Liberia in die EU (typ. O.K.) unter Beteiligung zweier Liberianer • Von 43 ausl. Terrororganisationen sollen 19 eindeutig Verbindungen zu Drogenkartellen haben (Quelle: US-Außenministerium) • Eingehung kurzfristiger transkontinentaler Allianzen zur Gewinnmaximierung

  31. Transnationale O.K. - Verbindungen zum Terrorismus? • Verbindungen von Al Kaida zu O.K., um größere Gewinne zu erzielen zum Zweck der Anwerbung weiterer Kämpfer, dem Erwerb von Waffen etc. (Lösegelderpressungen nicht ebenso effektiv) • Verbindungen zwischen lateinam. Drogenkartellen und radikalislamistischen Org. (vor allem Hisbollah) im Nahen Osten durch Einschaltung eines zentralen Geldwäschers • Neu: konkurrierende Gruppen schließen sich kurzfristig zur Gewinnmaximierung zusammen oder bedienen sich gemeinsamer Kontaktpersonen

  32. Viele Zahlen – wenig Antworten? National • Repression: • „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) • Weitere allg. Straftatbestände (Diebstahl usw.) • Geldwäschetatbestand

  33. Viele Zahlen – wenig Antworten? National • Repression: • Besondere Ermittlungsmaßnahmen • OrgKG vom 15.07.1992 • Impuls Volkszählungsurteil 1983 – Recht auf informationelle Selbstbestimmung • Rechtsgrundlagen zur Verfolgung der O.K.

  34. Die Besonderen Ermittlungsmaßnahmen aufgrund des OrgKG • Rasterfahndung (§ 98a StPO), • Ausschreibung zur Beobachtung (§ 163e StPO), • Einsatz technischer Mittel (§ 100c StPO a.F.) • Einsatz Verdeckter Ermittler (§ 110a StPO). • Telefonüberwachung (§ 100a StPO) wurde bereits durch das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.08.1968 in die StPO eingefügt

  35. Viele Zahlen – wenig Antworten? International • Motor internationaler Initiativen EU • EU- Definition „kriminelle Vereinigung“ • Rahmenbeschluss O.K. • Europol • Rechtshilfeübereinkommen • Europäischer Haftbefehl • Gemeinsame Ermittlungsgruppen • VN-Konvention gegen grenzüberschreitende O.K.

  36. O.K.- Initiativen der Europäische Union • Vielfältige Initiativen gg. O.K. • Aktionsplan usw. • Verrechtlichung des O.K.-Problems u.a. durch Rahmenbeschluss O.K.: • Rahmenbeschluss O.K. verzichtet auf eine Definition der „organsierten Kriminalität“. • Begriffe „kriminelle Vereinigung“ und „organisierter Zusammenschluss“ werden definiert

  37. O.K.- Initiativen der Europäische Union • Mitgliedstaaten müssen mind. eine der folgenden Verhaltensweisen als Straftatbestand anerkennen: • aktive Beteiligung an den kriminellen Tätigkeiten der Vereinigung in Kenntnis des Ziels oder der Absicht der Vereinigung, Straftaten zu begehen; • Vereinbarung über die Begehung von Straftaten, ohne notwendigerweise an ihrer Ausführung beteiligt zu sein.

  38. O.K.- Initiativen der Europäische Union • Sanktionen gegen juristische Personen: • Ausschluss von öffentlichen Hilfen; • vorübergehendes oder ständiges Verbot einer Handelstätigkeit; • richterliche Aufsicht; • richterlich angeordnete Auflösung; • vorübergehende oder endgültige Schließung von Einrichtungen, die für die Straftat genutzt wurden.

  39. Zusammenarbeit in der EU • Europol • Analyseprojekte (Analytical Workfiles – AWFs) bei der Bekämpfung bestimmter Erscheinungsformen und Tätergruppen der Organisierten Kriminalität • Datenbanksystem: • "Informationssystem": Angaben zu Personen, Straftaten und Verweisen auf aktenführende Stellen. Gespeichert werden Verdächtigte oder Verurteilte, gefüttert wird die Datei per "Data Uploader" aus den Mitgliedsstaaten.

  40. Zusammenarbeit in der EU • "Analysedateien": Fallbezogene Dateien mit Daten von Zeugen, Opfern, Kontakt-, Begleit- oder Auskunftspersonen, darunter etwa "DOLPHIN" "(Non-Islamist extremist terrorist organisation) mit Bezug zur "Antiterrorliste" der EU. • "Indexsystem" zur Verschlagwortung aller Einträge.

  41. O.K.-Initiativen der Vereinten Nationen • Konvention der VN gegen transnationale organsierte Kriminalität (UNTOC) • Begriffsverwirrung?

  42. Unterschiede

  43. Bestrafung mehrerer Personen – Systemerosionen?

  44. Bestrafung mehrerer Personen – Systemerosionen?

  45. Bewahrung des deutschen Strafrechtssystems? • Bundesgerichtshof Urteil vom 3.12.2009 (BGHSt 54, 216): • „Der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 24.10.2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität führt nicht zu einer Änderung der bisherigen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 dStGB.“ • Grund hierfür seien die zu schützenden allgemeinen Rechtsgrundsätze des deutschen Strafrechts. Mit zust. Anm. Bader, NJW 2010, 1986; kritisch dagegen Zöller JZ 2010, 908 ff.

  46. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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